Fritz Neumann

Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, lang genug ist sie allemal. Vor und zu Beginn der Weltcup-Saison haben sich allein folgende ÖSV-Herren beim Skifahren verletzt: Salzgeber (RTL-Quali), Franz (Super-G-Training), Trinkl (Freifahren), Roland Assinger (Abfahrtstraining). Salzgeber und Assinger hören auf, für Franz ist die Saison vorbei, einzig Trinkl kehrt zurück. Abseits der Piste, mit dem Motorrad, verunfallte Hermann Maier.

Die Deutschen beklagen Ausfälle von Florian Eckert und Max Rauffer, Verletzungspech hat neben anderen auch den Franzosen Christophe Saioni, den Schweizer Silvano Beltrametti und den Norweger Hans-Petter Buraas getroffen. Die kroatische Slalom-Seriensiegerin Janica Kostelic ist nach Knieoperationen rekonvaleszent.

Berufsrisiko

Angesichts von Maiers Schicksal, vor allem aber angesichts des tödlichen Unfalls der Französin Régine Cavagnoud sagt ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel: "Solang's nicht ganz böse ausgeht, muss man fast zufrieden sein." Jeder fünfte bis sechste Skirennläufer, so Schröcksnadel, müsse pro Saison eine Verletzung in Kauf nehmen, das sei das Berufsrisiko. Jeder hoffe halt, zu jenen zu zählen, die unverletzt übers Jahr kommen.

Schnelle Männer wie Patrick Ortlieb waren die Ersten, die Mitte der 90er mit Carvern herumtüftelten, doch ihnen wurde der Hang zu eng. So sah sich der internationale Verband (FIS) gezwungen, die Taillierung der Skier und die Höhe der Bindungsplatten zu limitieren. Bindungsplatten ermöglichen stärkeres Aufkanten, also mehr Speed, was mehr Druck mit sich bringt, Untersuchungen sind auf drei G und mehr gekommen, die ein Bein belasten. Strenge Kontrollen führten zu Disqualifikationen wie die der Deutschen Martina Ertl Dezember 2000 in Sestriere.

Häufung schwerer Knieblessuren

Der Deutsche Wolfgang Vogt, früher selbst Rennläufer, war Rennarzt an einem Wochenende in St. Moritz, an dem gleich fünf Läuferinnen, darunter Kostelic und Alexandra Meissnitzer, schwere Knieverletzungen erlitten. Was Vogt zum Anlass für genaue Untersuchungen nahm. Er beobachtete "eine Häufung der schweren komplexen Kniegelenksverletzungen nicht nur im Weltcup, sondern auch in Nachwuchs- und Regionalkadern". Laut Vogt werden Zentrifugalkräfte im Schwung nicht wie früher durch eine Rutschphase reduziert, sondern direkt auf den Skifahrer übertragen. "Das Knie ist das erste betroffene Gelenk, weil das Sprunggelenk im Schuh geschützt ist."

Bindung, Schuh kommen nicht mit

Vogt gibt dem Skischuh und der Bindung eine Mitschuld an schweren Verletzungen. Der Schuh habe die Entwicklung des Skis nicht mitgetan, die Bindung gehe unverständlich selten auf. ÖSV-Chef Schröcksnadel weiß, dass viele Skifahrer ihre Bindungen "auf never" einstellen. Wenn sich das Risiko des ungewollten Abschnallens verringert, erhöht sich das Verletzungsrisiko. Schröcksnadel: "Skirennläufer sind erwachsene Menschen."

(DER STANDARD, PRINTAUSGABE 26.11. 2001)