Wien - In Europa gibt es schon lange vor dem nun offenbar gelungenen Experiment eine heftige Debatte um die "Bioethik" in der modernen molekularen Medizin. Einen Meilenstein stellt hier die Entscheidung des britischen Parlaments zu Gunsten von Forschungsarbeiten, die zum "therapeutischen Klonen" von Gewebe führen sollen, vom Dezember des Vorjahres dar. Unzweifelhafte Chancen für Kranke stehen Horrorvisionen in diesen oft weltanschaulich und ideologisch dominierten Debatten gegenüber. In der Folge einige Begriffserklärungen:
  • EMBRYONALE STAMMZELLEN: In den frühesten Stadien der Entwicklung eines Embryos - in diesem Fall noch kleine Zellklümpchen - besitzen diese Zellen noch die Fähigkeit, sich zu Bestandteilen der rund 200 verschiedenen Gewebetypen zu entwickeln, die den menschlichen Organismus ausmachen. Gerade das könnte unerhörte Chancen für die Medizin der Zukunft bedeuten: Die Gewinnung von Zellen, die verloren gegangene ersetzen könnten. Das gilt besonders für Erkrankungen, bei denen ganz bestimmte Gewebeteile geschädigt werden (Herzinfarkt - Herzmuskel, Diabetes - Insulin-produzierende Zellen der Bauchspeicheldrüse, Morbus Parkinson - Dopamin-produzierende Zellen im Gehirn).

    • Problem: Für die Forschung zu diesem Thema werden eben Zellen von Embryonen im frühesten Stadium der Entwicklung benötigt. Das wirft für manche Diskussionsteilnehmer ethische Probleme auf. Häufig kommt es auch zu einer Vermischung der Materie mit der herkömmlichen Abtreibungsdebatte.

    • Möglicher Ausweg: Wissenschafter arbeiten intensiv daran, ausdifferenzierte Zellen wieder umzuprogrammieren und aus ihnen Stammzellen zu machen. Das ist teilweise bereits gelungen. Außerdem müssen wahrscheinlich nicht unbedingt "omnipotente" embryonale Stammzellen genutzt werden. Gerade in den vergangenen Jahren wurden immer mehr andere Stammzell-Linien in Knochenmark, Nabelschnurblut etc. entdeckt. Sie sind oft nur noch "pluripotent", das heißt, dass sie sich nicht mehr zu jedem Gewebetyp entwickeln können. Aber das ist vielleicht für medizinische Anwendungen gar nicht nötig.

  • KLONEN: Beim therapeutischen Klonen sollen einem künstlich erzeugten Embryo im Blastozystenstadium (Hohlkugel vom Durchmesser von 0,15 Millimetern) Stammzellen aus dem Inneren entnommen und dann zu einem bestimmten Gewebe weiter gezüchtet werden. Dadurch wird die Blastozyste vernichtet.

  • PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK (PID): Im Rahmen einer In-vitro-Fertilisierung (IVF) können Erbgutcharakteristika der Embryonen bestimmt werden. Das könnte beispielsweise die früheste Diagnose einer vorliegenden Anlage zu einer schweren Erbkrankheit erlauben. Befürworter sagen ganz klar, dass das Nichteinpflanzen solcher Embryonen der ethisch zu bevorzugende Weg im Vergleich zu einer späteren Fruchtwasseruntersuchung samt nachfolgender Abtreibung sei. Kritiker befürchten die "Selektion" von Embryonen nach gewissen Eigenschaften (Geschlecht etc.).

    • Die gesetzlichen Regelungen in Ländern wie Deutschland und Österreich (Fortpflanzungsmedizingesetz aus dem Jahr 1992) sind sehr restriktiv. Das hat offenbar auch etwas mit der spezifischen Zeitgeschichte der beiden Staaten (Stichwort: Eugenik) zu tun. Die österreichische Regelung: "Entwicklungsfähige Zellen (also Embryonen) dürfen nicht für andere Zwecke als für die medizinische Fortpflanzung verwendet werden." Das verbietet damit auch jegliche Forschung an embryonalen Stammzellen.

      Gedient sein könnte allerdings unfruchtbaren Paaren schon allein damit, dass die Aufbewahrungsfrist für Embryonen nach IVF - derzeit ein Jahr - ausgedehnt wird. Warum sollten solche Partner bei mehrfachem Kinderwunsch nicht auch länger Zeit haben dürfen? (APA)