Kabul - Der Kampf um die letzte große Taliban-Hochburg Kandahar droht zur blutigsten Schlacht im Afghanistan-Krieg zu werden. Die radikalislamischen Gotteskrieger haben angekündigt, ihre Bastion bis zum Äußersten gegen die feindlichen Truppen der USA und der Nordallianz zu verteidigen. In der zweitgrößten Stadt des Landes verfügen die Taliban nach eigenen Angaben noch über bis zu 50.000 Kämpfer. Auch ihr geistlicher Führer, Mullah Mohammed Omar, hält sich den Taliban zufolge noch in der südlichen Provinz versteckt. Nordallianz-Außenminister Abdullah Abdullah verkündete am Montag, feindliche Kräfte hätten Omar und den mutmaßlichen Terroristenführer Osama bin Laden in Kandahar umzingelt. Hauptquartier Kandahar war 1994 die erste Stadt, die in die Hände der radikalislamischen Taliban fiel. Zwei Jahre nach dem Sturz von Moskaus Statthalter Mohammed Nadschibullah errichteten die bis dahin weitgehend unbekannten Koranschüler dort ihr Hauptquartier. Von der mehrheitlich paschtunischen Stadt aus traten die von Pakistan ausgebildeten und lange Zeit vom US-Geheimdienst CIA unterstützten Taliban ihren Siegeszug durch das Land an. Gleich zu Beginn ihrer Luftangriffe auf Afghanistan bombardierten die USA die Machtsymbole der Taliban in Kandahar. Sie zerstörten deren Hauptquartier und die örtliche Zentrale der Religionspolizei sowie die Residenzen von Omar und Bin Laden. Heute ist Kandahar eine Geisterstadt. Von den 200.000 Einwohnern sind 80 Prozent geflüchtet, es gibt kein Wasser und keinen Strom mehr. Schauplatz schwerer Gefechte Die rund 500 Kilometer südöstlich von Kabul gelegene Stadt verdankt ihren Namen Alexander dem Großen, der sie im 4. Jahrhundert vor Christus gründete. Im 18. Jahrhundert machte der Gründer der ersten afghanischen Königsdynastie, Ahmed Schah Durrani, Kandahar zur Hauptstadt seines riesigen Emirats. Sein Sohn Timur verlegte die Hauptstadt dann nach Kabul. Immer wieder war das Handels- und Pilgerzentrum Schauplatz schwerer Gefechte: Anfang des 20. Jahrhunderts zwischen den britischen Besatzern und dem afghanischen Widerstand, vom Ende der 70er Jahre an zwischen Mudschahedin und Roter Armee, dann zwischen den rivalisierenden Mudschahedin-Gruppierungen. 1994 reagierten die Paschtunen in Kandahar noch mit Erleichterung auf die Machtergreifung der autoritären Koranschüler, die in ihren Augen wieder für Recht und Ordnung sorgten. Jetzt sind die meisten aus Angst vor der letzten blutigen Schlacht geflohen. (APA)