S. ist die Sache unendlich peinlich. Weil das doch eine Vertrauensfrage sei, jemanden in der Nacht ins Haus zu lassen. Und dann passieren solche Sachen. Sachen, für die er, S. zwar wirklich nichts kann, die aber doch in seine Zuständigkeit fallen. Schließlich koordiniert und leitet er den Rayon. Deshalb entschuldigt sich S. In jedem Satz vier oder fünf Mal. Und verspricht, dass es nicht mehr vorkommen wird. Es wird eine auf den Deckel geben. Strafen. Folgen. Ob man nicht doch Anzeige erstatten sollte? Weil das doch wirklich nicht zu tolerieren … und so weiter: S. ist die Sache eben unendlich peinlich – und nebenbei erzählt er, wie Hauszustellung wirklich funktioniert. (Ach ja: Die Sache war ein Missverständnis. Ein Möbelstück, das über Nacht verschwunden war, weil es für Sperrmüll gehalten wurde. Und das zwei Nächte später wieder an seinem Platz war.) S.´ Leute sind nämlich nicht blöd. Ganz im Gegenteil. Und wenn einer zu einem nicht überwältigenden Lohn zu einer nicht überwältigenden Zeit Nacht für Nacht durch die Stiegenhäuser Wiens hirschen muss (ohne Lift versteht sich), um Zeitungen vor Türen zu legen, hinter denen satte Bürger schlafen, fragt er sich irgendwann, was das soll: Nacht für Nacht rennt ein ebenso unterbezahlter Kollege Seite an Seite mit ihm durch dieselben Stiegenhäuser. Der Unterschied? Einer verteilt großformatiges weißes und rosa Papier. Einer Klein- und Mittelformate. Die sind dafür greller bedruckt: Ein harter Kampf. Zumindest bei Tag. Fragen Sie Ihren Kolporteur auf der Straße, was passiert, wenn ihm der Mediaprint-Kontrollor draufkommt, dass er auf den Zeitungsstapel des Nichtmediaprint-Kollegen aufpasst, weil der grad einer Mutter den Kinderwagen die Stationsstufen runter tragen hilft - und eine Presse verkauft. In der Nacht gibt es aber keine Kontrolleure. Drum rennt immer öfter nur einer durchs Haus. Mit allen Zeitungen. Weil es Zeitung und Leser nämlich wurscht ist, wer sie vor die Tür legt: Herr Mediaprint macht Stiege eines, Herr Presse/Standard Stiege zwei. Und nächste Woche wechseln sie sich ab. Was die großen Herren in den noch größeren Verlagen mit dem noch viel größeren Konkurrenzdenken davon halten? S. seufzt und sagt lieber nichts. Z. kriegt sich kaum mehr ein vor Lachen. Z. ist Juristin. Spezialgebiete: Medienkonzentration und Kartellrecht. „Das ist“, schnaubt sie, „die Rache des allerkleinsten Mannes. Und das schönste: Weil die Hauszusteller offiziell alle freie Dienstnehmer sind, kann ihnen in Wirklichkeit auch keiner vorschreiben, wie sie ihre Arbeit ein- und aufteilen oder delegieren.“ NACHLESE --> Weil nicht sein kann, was nicht sein darf --> Nochmal Augustin --> Der Euro ist deppert --> Sitz- und andere Kulturleiden --> Zu viel gescheit --> Gasmasken --> Vom Frühstück --> “Der hygienische Handschuh” --> “Tanzverbot” --> “Tolle Bilder” --> Die Erbin der Torte --> Gasometer --> Stirb, Sofie --> Von Svihalek träumen --> A.'s erste Bürgerinitiative --> Nepals schlafende Hunde --> Weitere Stadtgeschichten...