Worcester/Washington/Rom/Wien/Bregenz - Der erste Menschenklon, der am Wochenende bekannt wurde, sorgt weltweit für heftige Diskussionen. Ein Vatikansprecher kritisierte, die Produktion von menschlichen Embryonen zur Stammzellgewinnung bedeutete den Tod eines Menschenlebens, daher eine "Niederlage für die Menschheit". US-Präsident George W. Bush ließ verlauten, er sei "100 Prozent gegen jede Art des Klonens". Tom Daschle, Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, kündigte an, der Senat werde "einen scharfen Blick" auf die "beunruhigenden Berichte" werfen. Wissenschafter in den USA erwarten indes ein Totalverbot. "Ich glaube nicht", bestätigt der Republikaner Richard Shelby, "dass wir das Klonen von menschlichen Embryonen am Ende der Debatte noch gestatten werden."

Also auch nicht jenes zu Therapiezwecken, das die Schöpfer des ersten bekannten Klons vom Biotech-Unternehmen Advanced Cell Technology in Worcester (Massachusetts) anstreben. Sie brachten Eizellen, in die sie die Erbinformation des Originals eingebaut hatten, dazu, sich zu vier- und sechszelligen Embryonen zu entwickeln, bevor diese starben. Klonexperten wie Dolly-"Vater" Ian Wilmut äußerten Kritik daran. Echte Klone hätten viel mehr Zellen haben müssen, ein echter Fortschritt wäre erst ab sieben Tagen Überleben erreicht.

Robert Lanza von der Klonfirma sieht darin die Grundlage für eine "grenzenlose Quelle von immunverträglichen Zellen für Tissue-Engineering und Transplantationsmedizin". Mit der Betonung auf immunverträglich, denn bei den meisten Stammzellarten ist mit Abstoßung beim Empfängerorganismus zu rechnen. Nicht so hier, weil dieser ja mit dem Spender, dem Original, identisch ist. Vordringliche Ziele der Klonforscher: Inselzellen für Diabetiker, Herzmuskel für Infarktpatienten, Therapien gegen Alzheimer und Parkinson.

"Mit Sicherheit eine große Chance" und "ein riesiger Schritt vorwärts", kommentieren Reginald Bittner und Alfred Kocher die Technik an sich. Beide forschen nicht an embryonalen, sondern an adulten Stammzellen an der Wiener Universität bzw. dem AKH.

Herbert Zech, Fortpflanzungsmediziner in Vorarlberg, geht noch einen Schritt weiter: "Von der wissenschaftlichen Seite gesehen ist es absolut interessant. Es ist erstrebenswert, auf diesem Gebiet weiterzumachen."

"Es ist abzuwarten", hält dem Johannes Huber, Vorsitzender der Ethikkommission der Bundesregierung, entgegen, "ob man damit einen großen Benefit erreicht." Der Nabelschnur-und Hormonforscher favorisiert für die Zukunft das "Klonen in vivo". Dabei stimuliere man etwa die Blutstammzelle CD-34, damit sich diese "- statt Blut zu machen - in der Leber einbaut". Wie das der Körper schon jetzt macht, räumt Huber ein, "weiß man leider noch nicht genau".

Sämtliche vom STANDARD befragte Stammzellforscher in Österreich fordern eine offene Debatte. AKH-Mann Kocher etwa war über die Klonmeldung "erschüttert" und will "vorher" eine Diskussion darüber, "wo man ethisch die Grenzen zieht. Was ist das Nächste? Dass sich die Leute ein Ersatzteillager anlegen? Dass man die DNA eines Leberzirrhotikers nimmt, einen kleinen Embryo züchtet und so lange im Tiefkühlschrank hat, bis man die neue Leber einsetzen kann? Davor kann ich nur warnen."

"Das muss man breit diskutieren", findet auch Reproduktionsmediziner Zech, der tagtäglich mit mehrzelligen Embryonen arbeitet. "Aber in zehn Jahren wird das jeder gerne annehmen, wenn seine Verwandten von Zuckerkrankheit betroffen sein werden", prognostiziert Zech.

Bis dahin fordert Bittner, der schon länger mit dem ersten Menschenklon gerechnet hat, "wesentlich mehr Transparenz und die Einbindung der Öffentlichkeit. Die reine Machbarkeit enthebt uns nicht der ethischen Diskussion. Chancen für Todkranke wegzudiskutieren wäre auch ein ethisches Problem. Denn dann könnten Menschen zugrunde gehen müssen, weil die Diskussion in eine andere Richtung gelaufen ist." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27. 11. 2001)