Wien - Am Dienstag überreichte der Stv.
Generaldirektor der UNESCO, Abdul Waheed Khan, im Wiener Rathaus die
offiziellen Urkunden, mit denen die Papyrus-Sammlung der
Österreichischen Nationalbibliothek und die Schubert-Sammlung der
Wiener Stadt- und Landesbibliothek zum "Memory of the World" erklärt
werden. Die Entscheidung zur Aufnahme in die dem
Weltkulturerbe-Programm der UNESCO nachempfundene Liste war im
vergangenen Juni in Südkorea gefallen.
Die Papyrus-Sammlung der Nationalbibliothek ist mit 180.000
Objekten aus den Jahren 1500 vor bis 1500 nach Christus die größte
der Welt. Die Sammlung geht auf Erzherzog Rainer zurück, der große
Papyrusbestände aufkaufte, die 1878 in einer ägyptischen Oase
gefunden worden waren. Die Archive des antiken Krokodilopolis hatten
sich im trockenen Klima Ägyptens erhalten. 1899 schenkte Rainer seine
Kollektion Kaiser Franz Joseph zum Geburtstag.
Die wertvollen
Bestände, die Aufschluss über das damalige Alltagsleben geben ("Es
gibt keine antike Quelle, die so über das normale Leben berichtet wie
unsere Papyri", so Sammlungs-Leiter Hermann Harrauer), sind heute
erst zu einem Bruchteil aufgearbeitet. Zu den Objekten der Sammlung
zählt etwa ein Chorlied aus dem "Orestes" von Euripides, um 180. v.
Chr., das als der Welt älteste Partitur gilt, oder das älteste
bekannte Strafmandat aus dem 7. Jahrhundert - die Bestätigung dafür,
dass der Ölhändler Theophilos dafür Strafe zahlen musste, dass er ein
Kleidungsstück einfach auf die Straße geworfen hatte.
Die Schubert-Sammlung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek gilt
weltweit als die größte Kollektion von Schubertiana. Sie umfasst rund
340 Notenautographe, eine fast komplette Kollektion der Erstdrucke
sowie zahlreiche weitere Schriftstücke, Dokumente und eine
umfangreiche Literatur-Sammlung zu Schubert. Die Sammlung geht auf
ein Legat des Mäzens Nikolaus Dumba von 1900 zurück. In der Folge
wurde davon ausgehend die Musiksammlung der Wiener Stadtbibliothek
auf- und die Schubert-Sammlung mit zahlreichen Neuerwerbungen
konsequent ausgebaut. Musiksammlungs-Leiter Thomas Aigner hofft vor
allem darauf, dass die Auszeichnung künftig bei der Suche nach
Sponsoren helfen könne. Diese wären für den Ankauf weiterer Dokumente
sowie für die Finanzierung von späteren Konservierungs-Maßnahmen
unerlässlich.
In das "Memory of the World"-Programm werden hervorragende
Dokumente bzw. ganze Sammlungen aufgenommen. Das "Gedächtnis der
Welt" umfasst derzeit rund 70 Objekte, von mexikanischen Codices bis
zum Archiv des Warschauer Ghettos. Bisher gab es drei österreichische
Eintragungen: den "Wiener Dioskurides" aus dem Besitz der
Nationalbibliothek (eine pharmakologische Abhandlung eines Arztes aus
der Antike), die Schlussakte des Wiener Kongresses aus dem Bestand
des Österreichischen Staatsarchivs sowie den historischen Bestand des
Phonogrammarchivs der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Die nächste Erweiterung des Welt-Gedächtnisses erfolgt in zwei
Jahren. (APA)