Bonn - Die internationale Konferenz über die Zukunft Afghanistans begann am Dienstag mit Appellen von UNO-Generalsekretär Kofi Annan und dem deutschen Außenminister Joschka Fischer, die Weichen für einen politischen Neuanfang in dem von Krieg zerrütteten Land zu stellen. Fischer persönlich und Annan in einer Grußbotschaft machten Druck auf die afghanischen Delegierten, indem sie eine Wiederaufbauhilfe ausdrücklich an die Schaffung einer glaubwürdigen und ausgewogenen Regierung sowie an die Achtung der Menschenrechte knüpften. Unter der Schirmherrschaft der UNO Zur Konferenz unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen, für die strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, erschienen alle vier eingeladenen afghanischen Gruppierungen. Ihre Delegationsführer betonten den Willen, konstruktiv für einen Erfolg zu arbeiten, um dem jahrzehntelangen Kriegsdesaster ein Ende zu setzen. Ziel der Konferenz ist eine Einigung über eine Übergangsregierung und eine Art Parlament, das eine verfassungsgebende Versammlung vorbereiten soll. Zudem sollen die Delegierten klären, wie in Afghanistan Sicherheit hergestellt werden kann, etwa durch eine multinationale Truppe. Dies sei eine "historische Gelegenheit", um in Afghanistan endlich Frieden und nationale Aussöhnung zu schaffen und den "Teufelskreis von Elend und Not, von Konflikt und Gewalt zu durchbrechen", betonte Annan in seiner Botschaft, die der UNO-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, vor den Delegierten verlas. "Sie müssen die Interessen Ihres Volkes an die erste Stelle setzen, vor allen anderen Anliegen", mahnte Annan. Rechte der Frauen Die internationale Staatengemeinschaft sei sofort und auch langfristig zu Unterstützung und größerer Finanzhilfe bereit, sagte Fischer. Dafür müssten aber in Afghanistan verlässliche und rechtmäßige politische Strukturen geschaffen werden, bei der auch die Achtung der Menschenrechte garantiert sei. "Dazu gehört an vorderster Stelle, den Frauen ihre Rechte und Würde zurückzugeben." Die UNO übermittelte an die Führung der Nordallianz unterdessen ein Schreiben, in dem sie eine zwölfjährige Entwicklungshilfe anbot, wie aus Delegationskreisen verlautete. Dafür müssten UNO-Organisationen mindestens zwei Jahre im Land bleiben und die Voraussetzungen für eine glaubwürdige Friedensregelung geschaffen werden. Eine erste große Geberkonferenz werde im Jänner in Tokio stattfinden, kündigte Fischer an. Die Verhandlungsgruppen Auf dem Petersberg nahmen folgende vier Gruppen die Verhandlungen auf: die in Afghanistan militärisch siegreiche und dominierende Nordallianz, die so genannte Rom-Gruppe um den ehemaligen König Mohammed Zahir, die in Pakistan residierende Peshawar-Gruppe (Bündnis von Paschtunen) sowie die Zypern-Gruppe (vorwiegend Exil-Afghanen ohne feste Anbindung). Die Taliban wurden nicht eingeladen. Im Mittelpunkt dürfte die durch die militärischen Erfolge gestärkte Position der Nordallianz stehen, die von Innenminister Yunis Kanuni geleitet wird. "Wir erwarten klare Zusagen für einen Fahrplan, wie es weiter gehen soll", sagte der Außenminister der Nordallianz, Abdullah Abdullah, in Kabul. "Auf unserer Seite gibt es den festen Willen, diese Gespräche zu einem Erfolg zu machen." Kanuni bekräftigte für die Nordallianz die Bereitschaft, die Macht in Afghanistan zu teilen: "Es ist keine Ehre für uns, weiter zu kämpfen und Macht zu monopolisieren." Auch die Leiter der drei anderen Delegationen bekannten sich zu den Zielen der Konferenz, machten aber weniger politische Aussagen als Kanuni. Entwaffnung der Milizen Gleich zu Beginn der Beratungen wurde das Problem der Entwaffnung der verschiedenen Milizen des Landes angeschnitten. Wie es am Dienstag aus Delegationskreisen hieß, könnten die Waffen der zahlreichen "Kriegsherren" entweder an die UNO oder an eine noch zu bildende Übergangsregierung übergeben werden. Die Konferenz soll nach Einschätzung von Beobachtern bis Freitag oder Samstag dauern. Ihr Auftakt wurde am Fuße des abgeriegelten Petersbergs von friedlichen Demonstrationen verschiedener afghanischer Exil-Gruppen begleitet. Sie forderten Frieden, Demokratie und die Beachtung der Menschenrechte in ihrer Heimat. Der im iranischen Exil lebende Ex-Ministerpräsident Afghanistans, Gulbuddin Hekmatyar, hat die Bonner Konferenz bereits "als Komplott der USA" bezeichnet. Die Probleme könnten aber nicht durch eine Regierung gelöst werden, die von "Amerika, Russland und deren Marionetten" eingesetzt werde. Fischer fordert politischen Neuanfang Fischer wünscht auch mit der politischen Neuordnung Afghanistans ein neues Kapitel in den engen deutsch-afghanischen Beziehungen aufzuschlagen. Berlin will sich mit 160 Millionen Mark (81,8 Mill. Euro/1,126 Mrd. S) an dem Wiederaufbau beteiligen. Die deutsche Hilfe soll sich auf den Wiederaufbau von Schulen und Verwaltungsstrukturen sowie auf die Einbeziehung von Frauen und Mädchen in das gesellschaftliche Leben konzentrieren. (APA/dpa/Reuters)