Es ist schon eine halbe Sensation, wenn in einem von einem Clan dominierten, verknöcherten diktatorischen Regime wie im Irak ein relativ Junger, Außenstehender hochkommt. Genau das ist Naji Sabri al-Hadithi, seit August Außenminister, gelungen, quasi über Nacht wurde er zu einer der mächtigsten Personen im Land.

Naji Sabri, Jahrgang '51, hat als "His Master's Voice" nach außen Tarik Aziz abgelöst, er hat das halbe Außenministerium umgekrempelt und dabei auch Clanmitglieder ihres Postens enthoben. Das geht nicht ohne allerhöchste Unterstützung: Er gilt als Mann Qusays, des zweitgeborenen Sohns und designierten Nachfolgers Saddam Husseins.

Daran knüpfen sich krause Spekulationen: Die Rochade habe stattgefunden für den Fall, dass sich die USA mit Qusay arrangieren, wenn einmal sein Vater, wie auch immer, in der Versenkung verschwunden ist. Immerhin ist Naji Sabri, ein Ph.D. in Linguistik, eine durchaus zivilisierte Erscheinung und als Neuer relativ unbelastet.

Was nicht heißen soll, dass er sich nicht als Gläubiger geriert, im Gegenteil, er ist ein Hardliner: In Wien, wo er von 1999 bis Anfang 2001 Botschafter war, kennen ihn die Medien von seinen - manchmal recht kuriosen - Briefen, in denen er seinem Führer Rosen streute und uns aufrechten Journalismus à la irakienne zu lehren versuchte, war er doch selbst früher einmal Redakteur. Während seiner Zeit in Wien baute er die irakische Botschaft zur Handelszentrale um - wo unter anderem Iraks geschäftsfreudige alte Freunde von der SPÖ und die neueren von der FPÖ fleißig vorsprachen. Aber auch schon als Vizeinformationsminister in Bagdad soll er sehr tüchtig gewesen sein: Den Irak verlassende Journalisten wurden angehalten, bei ihrer Rückkehr Waren aller Art, die Sabri bei ihnen zu "bestellen" pflegte, mitzubringen. Darunter war etwa einmal eine Maschine zum Bespannen von Tennisrackets - nicht eben etwas, was die vom Hungertod bedrohten irakischen Kinder unbedingt brauchen.

Sabri ist verheiratet und hat mehrere Kinder, sein früher glatt rasiertes Antlitz, mit dem er ausgerechnet US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld etwas ähnelte, schmückt seit einiger Zeit ein riesiger Schnauzer `a la Saddam. Übrigens ist er auch ein interessanter Fall für einen Psychologen: Saddam hat einen Cousin und einen Bruder Sabris hinrichten beziehungsweise im Gefängnis ermorden lassen, ein zweiter Bruder war ebenfalls als Dissident in Haft. Als ihn jüngst in al-Jazeera ein Seher aus Kuwait darauf ansprach, schien Sabri zuerst beinahe in Ohnmacht zu fallen, wand sich dann jedoch recht geschickt heraus. In Bagdad heißt es, dass er nach dem Tod seines Bruders Saddam einen Brief schrieb, in dem er diesen ewiger Loyalität versicherte. (DER STANDARD, Print vom 28.11.2001)