Klosterneuburg - Bei kaum einem anderen Künstler kann man sich so sicher sein: Wo Plessi draufsteht, ist auch Plessi drin! Da lodert Feuer, da fällt Wasser, da hat Hephaistos' Hammer eingeschlagen. Abgesehen davon, dass Fabrizio Plessi sich gerne mit Prometheus vergleicht ("der Vorausdenkende", der Wohltäter und Kulturbringer), gibt er gerne die Analogie von Kunst und Kochen zum Besten: Man nehme eine Schnitte vom Stahl - das Brot - und belege sie sogleich mit einer dicken Schicht Holz - die Wurst, der Käse. Obenauf kommt dann wieder eine Stahlschnitte. Ergänzend muss hier angemerkt werden, dass bei Plessi dazwischen seit Jahrzehnten schon ein Fernseher kommt: Kanal eins steuert die feurige Würze, den Pfeffer bei; Kanal zwei bringt das kühlende Element, zum Beispiel die Gurkenscheibe aufs Brot. Und weil der Mensch ja auch mit dem Auge isst, verpasst unser Starkoch aus der Reggio Emilia seinem Tramezzino auch noch einen finalen goldenen Schnitt. Und dann kommt das Wichtigste, die Erkenntnis: Dem gemeinen vertikalen Durchbiss folgt eine Durchmischung aller Zutaten im Mund, dem Zentrum allen Geschmacksempfindens. Der Genietest Dort ist die Wahrheit zu Hause, dort wird die Mannigfaltigkeit einem gnadenlosen Einheitstest unterzogen. Geht der schief, war alles Bemühen umsonst, ist der Koch sofort als Dilettant, als ehrgeiziger Laie enttarnt, dessen Tun sub specie aeternitatis ja doch der Nichtigkeit anheim fällt. Stellen sich in der kritischen Höhle aber Homogenitäts-, Kohärenz- oder Totalitätsgefühle ein, dann ist alles gut, und Maestro Fabrizio entweder das Genie, das "der Kunst die Regel gibt" (Kant-Weckerl), oder er hat gerade das Absolute als Einheit sinnlich zur Darstellung gebracht (Hegel-Kipferl), oder aber Plessi hat Brot, Wurst und Käse, die Kategorien der objektiven Realität, produktiv umgestaltend zu einem neuen Sandwich-Ganzen geführt (warmes Aristoteles-Semmerl mit einem Spritzer Lukács). Da Fabrizio Plessi aber die Titanen liebt, produziert er hauptsächlich Kant-Weckerln. Und da er nichts so sehr fürchtet wie ein Tramezzino-Fragment, mag er Adorno-Schnitten gar nicht erst ausprobieren. Und so stellt er sich eben auch in der Sammlung Essl in Klosterneuburg wieder einmal als Sushi-Koch der mittleren Reife vor. Nach sechzig Jahren des Übens an der ausgleichenden Zurichtung der ewig gleichen Ingredienzien hat er es mittlerweile zu einer beachtlichen Meisterschaft gebracht. Und doch scheint er zu ahnen, dass die Zeiten schlechte sind für elegant drapierte Einheitsbrötchen. Und so lässt er Karlheinz Essl jr. einen Tupfer Mayonnaise - den Sound - auf die Gustostückerln schmieren. Bücher schreibt der mythophile Meister der Fusion-Küche natürlich auch. Weltoffen animieren den geschäftigen Ausstellungsreisenden die unterschiedlichsten Weltgegenden zum immer gleichen Menüvorschlag: Pathos mit Schlag. Und wie das Fähnchen den Eiskaffee, so vollendet eben erst die Axt im glühenden Stamm den echten Plessi. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 11. 2001)