Die Abgeordneten im polnischen Sejm stimmen am heutigen Donnerstag darüber ab, ob Andrzej Lepper, Chef der radikalen Bauernpartei "Samoobrona" (Selbstverteidigung), Vizeparlamentspräsident bleiben darf. Lepper nannte am vergangenen Wochenende den Außenminister Polens, Wlodzimierz Cimoszewicz, "Kanaille", weil dieser in Brüssel Zugeständnisse bei den EU-Beitrittsverhandlungen gemacht hatte. Für den erklärten EU-Gegner Lepper kam dies einem Vaterlandsverrat gleich. Und so setzte er gleich noch drauf, dass ja schon der Vater Cimoszewiczs als "Polenmörder" in die Geschichte eingegangen sei. Erst am Tag darauf bat er den Außenminister in einem persönlichen Brief um Entschuldigung - allerdings nicht für die "Kanaille", sondern für den "Polenmörder". Am Dienstag hob Marek Borowski, der sozialdemokratische Parlamentspräsident, alle Vollmachten Leppers als sein Stellvertreter auf und forderte dessen Rücktritt. Doch der 53-Jährige lehnte ab. Seine Fraktion in Parlament, immerhin die drittgrößte, steht geschlossen hinter ihm und boykottiert seit fast zwei Wochen die Arbeit im EU-Ausschuss des Sejm. Jüngsten Umfragen zufolge gehört nicht Lepper, sondern der proeuropäische Außenminister zu den unbeliebtesten Politikern Polens. Die EU-Skepsis im Land steigt weiter. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.11.2001)