Rechtzeitig vor Beginn eines Hearings im Senat hat sich US-Justizminister John Ashcroft erstmals dazu herabgelassen, der Öffentlichkeit Details über die etwa 600 in Bundesgefängnissen festgehaltenen, tatsächlichen oder potenziellen - so genau weiß man es nicht - Terroristen bekannt zu geben. Ashcroft begegnete damit nicht nur zunehmender Kritik an den geheimniskrämerischen Umständen, unter denen diese Menschen hinter Schloss und Riegel verschwunden sind.

Seine Pressekonferenz zeugt auch von einem wachsenden Handlungsbedarf der Regierung Bush, ihr Gegenterrorpaket zu verkaufen. Der Grund dafür ist klar: Den Erfolgen an der afghanischen Front steht ein Versagen im Fall der mysteriösen Anthrax-Briefe gegenüber, wo das FBI offenbar immer noch vollkommen im Dunkeln tappt.

Mangels präsentabler Erfolge scheinen Bush und die Seinen darauf zu setzen, die Sicherheitsdosis mit dem Versprechen immer neuer und schärferer Maßnahmen zu erhöhen. Die seit dem 11. September in Gang gekommene Kettenreaktion von erweiterten Geheimdienstbefugnissen, verschärfter Überwachung und einem gelockerten Umgang mit Bürgerrechten mündete zuletzt in der Ankündigung des Präsidenten, nicht amerikanische Terrorverdächtige von einer Art Femegericht aburteilen zu lassen. Diese mit dem Hautgout eines autoritären Staatswesens versehene Idee hat massive Kritik nach sich gezogen, namentlich vonseiten des New York Times-Starkolumnisten William Safire.

Nun wird man Bush zweifellos nicht vorwerfen können, dass er den Anlass des 11. September zynisch genutzt habe, um seine Machtbefugnisse zu erweitern. Aber er steht unter dem Druck einer Öffentlichkeit, die an ihrer politischen Führung keine Schwächezeichen gegenüber Terroristen sehen will. Und unter diesem Druck hat sich dann doch die eine oder andere unsinnige oder gar gefährliche Idee in das große Antiterrorpaket der US-Regierung eingeschlichen.

Unsinnig ist zum Beispiel die Präventionshaft für angehende Terroristen, die Justizminister John Ashcroft offenbar vorzuschweben scheint. Ashcroft hat zwar Recht, wenn er behauptet, dass "eingesperrte Leute keine Terrorakte begehen können".

Aber er weicht der Kernfrage aus, wie man Menschen für Handlungen, die sie erst in Zukunft begehen könnten, inhaftieren darf - und ob die Erosion jedes zivilisierten Rechtsverständnisses, auf der solche Vorbeugungsmaßnahmen beruhen, einen solchen Preis wert ist.

Zweifel an der Sinnfälligkeit der Präventionshaft wird aber auch von ehemaligen FBI-Mitarbeitern laut, die meinen, es sei sinnvoller, Terrornetzwerken erst ein wenig - sorgfältig überwachten - Raum zur Entwicklung zu geben, ehe man sie zerschlägt. So könne man viel mehr Erkenntnisse über ihr Funktionieren gewinnen und sie künftig effektiver bekämpfen.

Noch viel dubioser ist die Idee der unter Ausschluss der Öffentlichkeit agierenden Militärgerichte: Sie würde signalisieren, dass sich der Staat in die Rolle des Dunkelmanns begibt, der seine Rechtsvorstellungen unkontrollierbar und willkürlich durchsetzt.

Schließlich wäre von Bush auch ein klärendes Wort über die voraussichtliche Dauer der antiterroristischen Maßnahmen fällig. Von einer normalen Kriegssituation unterscheidet sich die jetzige dadurch, dass ein Kriegsende niemals zu bestimmen sein wird. Auf eine Kapitulationserklärung von ausgewählten Repräsentanten des internationalen Terrorismus wird man vergeblich warten.

Heißt das nun, dass der Präsident von seinen Notverordnungsrechten ständig Gebrauch machen sollte und die Gewichte dauerhaft zugunsten von Geheimdiensten, Polizei und Militär verschoben bleiben? Der Kongress, der manche Auswüchse des antiterroristischen Regierungsfurors mit Skepsis betrachtet, wird in den nächsten Tagen hoffentlich dazu beitragen, solche Klärungsprozesse zu beschleunigen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.11.2001)