Afghanistan ist dieser Tage nicht der einzige rechtlose Raum, in dem die Staatsmacht kapituliert hat. Die philippinische Regierung musste 200 schwer bewaffnete muslimische Extremisten ziehen lassen im Austausch gegen mehr als hundert meist christliche Geiseln. Nicht von ungefähr hängen der Aufstand muslimischer Extremisten im Pazifik und der Krieg gegen die Taliban und al-Qa'ida auch zusammen: Ein Teil der Entführer vom 11. September hielt sich auf den Philippinen auf, der Urheber des ersten Anschlags auf das World Trade Center von 1993 wohnte in Manila, ein Schwager Bin Ladens soll vor Ort die Abu-Sayyaf-Gruppe mitfinanziert haben, die professionellen Geiselnehmer im Süden des Archipels.

Für die Regierung von Präsidentin Gloria Arroyo ist der Aufstand der Muslimrebellen eine zusätzliche Belastung. Von Putschgerüchten geplagt nach der Amtsenthebung des früheren Präsidenten Estrada zu Beginn des Jahres, von der alten Asienkrise noch nicht erholt und der heute stagnierenden Weltwirtschaft bereits geschädigt, ist das Land nur ein weiterer Faktor der Unsicherheit in Asien geworden.

Mehr als alle anderen Führer der Region hat sich die Präsidentin der mehrheitlich katholischen Philippinen deshalb hinter die Antiterrorkoalition der USA gestellt und dafür an die 590 Millionen Schilling Militärhilfe von Washington erhalten. Eine erste kleine Einheit von US-Militärberatern zum Kampf gegen die Rebellen im Süden hat sich angesagt. Die Philippinen werden so nach Afghanistan zum ersten Exerzierfeld des weltweiten Antiterrorkriegs der USA. Die Rückkehr von Al-Qa'ida-Mitgliedern aus afghanischen Trainingslagern nach Südostasien alarmiert die USA, lässt sie aber mit Ausnahme Manilas nur wenig Verständnis in der Region finden. Malaysias Premier Mahathir, kein Freund des Westens, warnte: "Heute ist es Afghanistan, morgen der Irak, und danach sind es vielleicht wir." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.11.2001)