Manchmal passiert es, dass sich schlagartig alles ändert. So etwa fand vor kurzem die seit zwei Jahren bestehende und für mittlerweile schon unerschütterlich geglaubte Hegemonie des "Novelli" auf dem Sektor der italienischen Restaurants in Wien ein jähes Ende: Nachdem der Motor und Zeremonienmeister Fabio Giacobello den Nobel-Italiener verließ, um an einem eigenen Projekt zu arbeiten (wird im Frühling aktuell), musste man nun auch den Abgang der allseits gefeierten Küchenchefin Martina Sitzwohl verkraften. Und was bedeutet das? Entweder dass die in Wien ja äußerst italophile Schickeria ihrem "Novelli" treu bleibt, dass man sich wieder der "Cantinetta Antinori" zuwendet, dass man Giacobellos Restaurant abwartet und sich einstweilen halt von Tafelspitz ernährt oder dass man nach neuen Plätzen der mediterran-kulinarischen Selbstverwirklichung forscht. Letzteres scheint zumindest sehr wahrscheinlich, wenn man sich das Treiben in der "Bar Italia Lounge" vergegenwärtigt: Das hübsch gestylte Kleinlokal eröffnete nämlich vor kurzem ein Kellergeschoss, das zu den momentan gesuchtesten Lokalen der Stadt zählt. Was an mehreren Punkten liegen dürfte. Erstens hat Architekt Arkan Zeytinoglu, ein Domenig-Schüler, hervorragende Arbeit geleistet und aus den wirklich nicht sehr weitläufigen Kellergewölben eine Lokal-Landschaft gestaltet, die in Sachen Groove ihresgleichen in Wien sucht: eine kuschelige Bar, in der man gerne ein bisschen bleibt, eine kleine Lounge, in der man nach ein paar Drinks in der Bar vielleicht auch mal die Hüften schwingt, ein schickes Restaurant in hellem Leder, das durch gefinkelte Spiegeltechnik in unendliche Weiten ausufert, und noch zwei Separees, zu denen einem so allerhand einfallen könnte.Weiteres Lob verdient die Tischkultur: Olivenöl in alten Parfümflakons, altes, zusammengewürfeltes Silberbesteck, das Brot ist exzellent. Und die Qualität des Essens fügt sich erfreulicherweise ins Bild: Entsprechend den Konsumgewohnheiten der Ally-McBeal-Generation wird auf Antipasti großer Wert gelegt, der italienische Aufschnitt mit diversen Salamis, Prosciutto und Bresaola ist hervorragend (öS 130,7 / EURO 9,50), der flaumige Lauchflan mit Fonduta-Käsesauce ein Gedicht (öS 85,30 / EURO 6,20), und den Frischkäse mit Linsensalat und Kernöl sollte man auch nicht versäumen (öS 95 / EURO 6,90). Der Schwerpunkt der "Bar Italia Lounge" aber ist die Pasta, zu deren Perfektion man den jungen Koch sogar für ein paar Wochen ins Friaul schickte. Das Gnocchi-Machen hat er dort wahrhaftig gelernt, die Erdäpfelgnocchi mit Salbeibutter sind unübertrefflich (öS 119,70 / EURO 8,70), die Maronignocchi mit Saubohnen und Pesto ein Gericht, mit dessen Hilfe man den Winter aushalten kann (öS 130,7 / EURO 9,50). Und weil die Besitzer Manfred und Paul Bodner aus Tirol kommen, gibt es auch eine Art Riesenraviolo vulgo "Schlutzkrapfen" mit Spinat-Ricotta-Fülle, und das ist gut so (öS 130,7 / EURO 9,50). Ganz hervorragend der Rinderschmorbraten in Rotwein, "Brasato", (öS 184,40 / EURO 13,40), äußerst würzig der gegrillte Wels mit Spinat (öS 189,90 / EURO 13,80), wunderbar die Seeteufel-Lasagne mit Safran und Gemüse (öS 229,80 / EURO 16,70). Ja, und warmen Schokoladekuchen gibt's auch. Sei es, dass man so viel isst, weil es so gut schmeckt, oder weil die Kalkulation gerade der Weine nicht unbedingt sehr taschengeldgerecht ausfällt, auf der Rechnung steht dann jedenfalls immer eine recht stolze Summe. Was die schönen, jungen, erfolgreichen Menschen hier aber kaum stört, sie sind froh, überhaupt einen Platz bekommen zu haben. Und sei es um 23 Uhr. derStandard/rondo/30/11/01