London/Wien - Die Nordallianz lässt die Gefangenenhilfeorganisation Amnesty International die Hintergründe untersuchen, die zu Wochenbeginn zum Tod von vermutlich 600 Taliban-Gefangenen bei Mazar-i Sharif geführt haben. Eine entsprechende Einladung gab der Allianz-Sprecher, Mohammad Habeel, am Donnerstag ab. Wie ernsthaft dieses Angebot ist, blieb aber unklar. Amnesty hat bislang keinen Kontakt zur Nordallianz, die Mitarbeiter der Organisation sind der Sicherheitslage wegen in Pakistan.

Amnesty-Sprecherin Judit Irenes sagte gegenüber dem STANDARD, sie hoffe, dass sich diese Einladung auf die Untersuchung ähnlicher möglicher Massaker an Taliban-Gefangenen in Afghanistan ausweiten werde. Bereits vor dem angeblichen Aufstand in der Gefangenenfestung Qalae Jangi sei es zur Erschießung von etwa 600 Taliban-Soldaten bei der Einnahme von Mazar-e Sharif gekommen. Der Korrespondent der französischen Tageszeitung Le Monde, Rémy Ourdan, berichtet zudem von verstümmelten und skalpierten Leichen in Bagram, die die Nordallianz beim Vormarsch auf Kabul hinter sich gelassen hatte. Die Leichen würden nun nach und nach von Mitarbeitern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) eingesammelt und bestattet. IKRK-Mitarbeiter hatten auch Mitte November noch die Gefangenen in Qalae Jangi besucht. Über die Zahl getöteter Kriegsgefangener in Afghanistan gibt es noch keine Schätzungen. (Reuters, mab)

(DER STANDARD, Printausgabe, 30.11.2001)