Wien - "Das arme Kind. Ich weiß nicht, nach so vielen Jahren. Die können ihm doch sicher nichts mehr nachweisen. Wird das jetzt alles noch einmal untersucht? Die armen Eltern." Die rüstige Pensionistin, die Donnerstagmorgen ihren schwarz-rot karierten Einkaufstrolley durch die Per-Albin-Hansson-Siedlung in Wien-Favoriten zieht, ist nicht die Einzige in diesem Grätzel, die sich Gedanken über den nach elf Jahren nun vielleicht vor der Aufklärung stehenden Mädchenmord macht. Nicole Strau, die bis zu ihrem Tod in der Hansson-Siedlung lebte, und ihr vermeintlicher Vergewaltiger und Mörder sind Tagesgespräch. "Schon recht, dass sie dieses Schwein jetzt haben", mischt sich ein Nachbar ein. Er hat eine Enkelin, die jetzt in dem Alter ist, in dem Nicole ermordet wurde. "Hat eh lange genug gedauert."

Während die Gassen innerhalb der Siedlung fast ausgestorben sind, tummeln sich die Anrainer am Rande der Wohnanlagen in den dortigen Geschäften. "Es regt die Leute hier sehr auf", erzählt eine Trafikantin, die fast allen ihren Krone-Stammlesern an diesem Morgen den Kurier verkaufen musste - der hatte Nicoles Foto auf Seite eins abgedruckt. "Alle hier können sich noch genau an damals erinnern. Auch an das Foto. Da hat man Angst gehabt. Und die bleibt einem im Kopf."

Die Stimmung in der Hansson-Siedlung ist eine ambivalente. Viele haben den Verdächtigen vorverurteilt und für schuldig erklärt - aus ihren Wortspenden hört man Erleichterung heraus. Andere sind skeptisch. Dutzende Verdächtige hat es gegeben, immer wieder war von einer möglichen Spur die Rede, elf Jahre ist nichts heraus gekommen. Und jetzt soll der Täter ausgeforscht sein? Anhand von was - DNA-Analysen?

"I glaub', die Kriminaler san wieder amol a bisserl vorschnell", mutmaßt Ernstl, der bei Heinzi's Würstelhütte für sich und seinen Haberer Rudl das zweite Vormittagsviertel Rot bestellt. "I glaub' des erst, wanna im Häf'n sitzt. Oba um des Madl is scho schad." (fei)