Wien - Das Symptom ist für eine Berufsgruppe, die sonst stolz auf den hochentwickelten Stand ihrer Methoden und Technik ist, alles andere als erfreulich: Österreichs Ärzte sind Internetmuffel.

Das legt zumindest ein Vergleich des Internetnutzungsgrades zwischen allgemeiner Bevölkerung und der Ärzteschaft nahe. Demnach sind nur 26 Prozent der Ärzte, hingegen 50 Prozent der allgemeinen Bevölkerung "häufige Internetnutzer" nach einer Studie des Meinungsforschers Fessel-GfK.

Dabei hat Internetnutzung nachhaltige Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Patient und Arzt, will eine Studie der Boston Consulting Group herausgefunden haben: Wenn Patienten online Gesundheitsinformationen lesen, dann stellen sie dem Arzt mehr Fragen, schlagen häufiger eine bestimmte Diagnose selbst vor und fragen den Arzt häufiger nach einer bestimmten Medikation als Patienten, die offline bleiben, also kein Internet benutzen.

Medizin hinkt nach

Die Diagnose von Werner Clement, Professor an der Wiener Wirtschaftsuniversität, für den Rückstand der Mediziner bei der Verwendung des Internets ist wenig schmeichelhaft: "Es gibt in diesem geschützten Bereich keinen Marktdruck. Kein Arzt fliegt aus dem Markt, weil er Internet nicht benützt." Darum hinkt das Gesundheitswesen bei der Anwendung der neuen Technologie "noch dramatisch hinter dem Erfolg im Geschäftsbereich nach".

"E-Health" - so das Schlagwort - "wird nur punktuell betrieben. Wir sind weit weg von der Umsetzung des Potenzials im Gesundheitsbereich." Internet sei ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung, weil es Konsumenten - Patienten - befähige, "Ärzte unter Druck zu setzen". Das zeigt auch die große Nachfrage nach Gesundheitsseiten im Netz. Aber Ärzte schätzen die neue Informiertheit ihrer Patienten nicht sonderlich, berichtet Clement eigene Erfahrungen: "Ich habe keine höflichen Antworten auf Informationen aus dem Internet bekommen, mit denen ich Ärzte konfrontiert habe."

Dabei gebe es viele Vorteile, die aus der Vernetzung der Akteure entstehen würden, sagt der Welser Radiologe Bernd Eber, der seit vielen Jahren auf vielen Internetplattformen als Arzt und Wissenschafter tätig ist. Das Internet sei "ein effektives Mittel gegen mündige Patienten", sagt Eber, der weiß, dass Ärzte es nicht schätzen, wenn ihre Patienten mit Vorschlägen kommen. Ärzte können sich rascher auf den aktuellen Wissensstand bringen, kontroversielle Themen mit Kollegen diskutieren, sich fortbilden und besser mit Spezialisten zusammenarbeiten; durch virtuelle Partnerschaften mit Kollegen können sie der "Einsamkeit ihrer Praxis" entgehen, sagt der Vorstand der kardiologischen Abteilung der Barmherzigen Schwestern in Wels, einer der größten Privatkliniken der Welt.

Mit einem neuen Ärzteportal, MyYahoo! für Ärzte, will Eber seiner Kollegenschaft eine leicht verdauliche Pille verschreiben. In einem Jahr will er damit den Kreis der regelmäßigen Ärzte-User von 26 Prozent auf 40 Prozent ausweiten. Gesponsert wird das Portal vom Pharmaunternehmen MSD (Merck, Sharp & Dohme). MyYahoo! für Ärzte lässt sich individualisieren und versammelt auf einem Blick Fachinformationen nebst Nachrichten und allgemeinen Yahoo-Diensten. (Helmut Spudich, Der Standard, Printausgabe, 30.11.01)