Eleganz und Trauma
Bühne
Pralinen, Cognac, intime Plaudereien
Das Akko-Theater bei "Focus on Israel"
Wien - Die Entwicklung eines Stücks mit den Schülern einer orthodoxen, dem Theater generell ablehnend gegenüberstehenden Yeshiva, einer jüdischen Religionsakademie - gezielte Tabubrüche wie dieser sind ihre Spezialität: Seit David Mayaan vor nunmehr 16 Jahren im israelischen Ort Akko ein Theater gründete, findet die Bühne alljährlich neue Wege, ihr Publikum mit den blinden Randzonen seiner Selbstwahrnehmung zu konfrontieren.
Dauergast auf internationalen Festivals, war das Akko-Theater auch in Wien schon mehrfach zu sehen: Insgesamt vier Produktionen zeigten sie bei den Festwochen der Jahre 1995 (
Arbeit macht frei
,
I Lab U
), 1998 (
Kohelet I
) und 1999 (
Kohelet II
). Nun bildet eine Auswahl von drei neueren Arbeiten den Schwerpunkt des Festivals
Focus on Israel
, in dem Szene Wien, Schauspielhaus und Tanzquartier auf Initiative von Norbert Ehrlich gemeinsam einen ersten Überblick über die zeitgenössische israelische Theaterszene anbieten.
Das gewagteste Experiment stellt wohl
Boyi Kala
, zu Deutsch:
Willkommen Braut
(4. und 5. Dezember, Szene Wien), dar, jene oben erwähnte Zusammenarbeit der Bühne mit orthodoxen Gläubigen, in welchen diese davon berichten, was es heute heißt, in Israel gläubig zu sein. Für Moni Yossef, den Leiter des Theaters, bedeutete die ungewöhnliche Produktion, der eine über zweijährige Proben-zeit voranging, einen ähnlichen Akt des Abbaus gesellschaftlicher Vorurteile wie die Tanzperformance
Halleluh-Allah
(7. und 8. Dezember, Tanzquartier), in welcher jüdische, arabische und christliche Tanztraditionen verflochten werden.
Den Auftakt der Gastspiel-Trilogie bildet ein zarter, sehr intimer Abend. In
Anthology
(noch einmal zu sehen am 1. Dezember, Schauspielhaus) verwandeln ein Konzertflügel, Räucherstäbchen und unzählige Kerzen und Fotografien das Schauspielhaus in den privaten, stark parfümierten Salon einer feinen älteren Dame.
Eleganz und Trauma
Bewirtet mit Pralinen und Cognac, lauscht das Publikum den hebräisch, jiddisch, englisch und deutsch vorgetragenen Plaudereien der bezaubernden israelischen Lady (Smadar Yaaron) an den Tasten, ihren charmanten Geschichtsverdrehungen und feinen rassistischen Spitzen. Bis zuletzt der lärmende Auftritt ihres Sohnes Menasche den sorgsam verborgenen Untergrund der eleganten Salonwelt freilegt: die Traumata der Holocaust-Überlebenden und ihrer Kinder.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 11. 2001)
Eleganz und Trauma