Laut Wirtschaftsminister Martin Bartenstein ist die Biotechnologie neben der Informationstechnologie für die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich von zentraler Bedeutung. Dem Standard gegenüber spricht sich der ehemalige Pharma-Unternehmer auch für die Forschung an überzähligen Embryonen aus der künstlichen Befruchtung aus.
STANDARD: In Deutschland muss in den kommenden Tagen entschieden werden, ob man ein Forschungsprojekt unterstützt, im Zuge dessen embryonale Stammzellen aus Israel importiert und beforscht werden sollen. Die Befürworter argumentieren, dass ohne solche Forschungen der Wirtschaftsstandort Deutschland in Gefahr sei. Gesetzt den Fall, eine österreichische Forschergruppe würde einen Antrag auf Import von Stammzellen stellen, würde der österreichische Wirtschaftsminister das unterstützen?
Bartenstein:
Nein, weil man eine Förderungsentscheidung vom bestehenden Willen des Gesetzgebers abhängig machen sollte. Der sagt, dass es in diesem Land keine Forschung an embryonalen Stammzellen gibt. In Deutschland haben wir es - ähnlich wie in Österreich - mit einer Gesetzeslücke zu tun, und auf einer Gesetzeslücke sollte man keine positive Förderungsentscheidung aufbauen.
STANDARD: Die Frage nach dem Willen des Gesetzgebers lässt sich wohl nicht ohne weiteres beantworten: Als das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz entstand, war die Stammzellforschung schlicht kein Thema, deshalb konzentrierte man sich auf die Fortpflanzung.
Bartenstein:
Sowohl unser Fortpflanzungsmedizingesetz als auch das deutsche Embryonenschutzgesetz sind sehr restriktiv gefasst, und sie nehmen in der Tat auf die jüngsten Entwicklungen und auch Hoffnungen wenig Rücksicht. Darum braucht es ja in Deutschland und in Österreich nationale Debatten über diese Themen. Dennoch erwarte ich mir nicht nationale gesetzliche Antworten, sondern zumindest europäische Antworten. Hier national vorzugehen, bringt nicht viel, weil ein Biotourismus entstehen könnte, der niemandem dient.
STANDARD: Nun wird ja in Deutschland schon ein Jahr lang heftig diskutiert, und wir Österreicher werden kaum neue Argumente erfinden. Was ist Ihr Resümee?
Bartenstein:
Es gibt meiner Ansicht nach widersprüchliche Meldungen. Der ganz schnelle Weg scheint ja nicht zu den Ersatzorganen zu führen. Außerdem gibt es die adulten Stammzellen, die ethisch weniger kritisch sind und von denen ein Teil der Wissenschafter sagt, dass man auch auf diesem Weg weiter kommt. Die eigentliche Frage ist ja nicht, ob man embryonale Stammzellen für die Forschung verwenden darf, sondern: Ist die In-vitro-Fertilisation statthaft? Und das wurde irreversibel mit Ja beantwortet. Damit bleibt nur die Frage, was mit den überzähligen Embryonen passiert. Gestattet man die Forschung an ihnen oder gestattet man sie nicht?
STANDARD: Genau, das ist die Frage. Und wie würden Sie sie beantworten?
Bartenstein:
Zunächst fällt mir auf, dass wir zwar beherzt über die Berechtigung von embryonaler Stammzellforschung diskutieren, zugleich aber dem Thema der Abtreibung relativ gelassen gegenüber stehen. Darin scheint mir eine gewisse Unverhältnismäßigkeit zu liegen. Wer die Stammzellforschung hinterfragt, müsste auch den Schwangerschaftsabbruch hinterfragen.
STANDARD: Das heißt im Klartext, dass Sie die Forschung an überzähligen Embryonen aus der In-vitro-Fertilisation befürworten?
Bartenstein:
Ja, ich persönlich halte es für nahe liegend, dann, wenn es überzählige Embryonen gibt, die Forschung daran nicht zu verbieten. Das ist meine Position, die auch beinhaltet, die Herstellung von Embryonen eigens zu diesem Zweck zu verbieten. Also Nein zum therapeutischen Klonen, aber ein vorsichtiges Ja zur Forschung an den überzähligen Embryonen.
STANDARD: Sind solche Entscheidungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Österreich standortrelevant?
Bartenstein:
Es gibt zwei zentrale Zukunftstechnologien für uns, nämlich die Informations- und die Biotechnologie. Wir wollen und dürfen uns von dieser Entwicklung nicht abkoppeln. Und dazu braucht es eine klare Antwort auf die Frage, ob embryonale Stammzellforschung in Österreich erlaubt ist oder nicht.
STANDARD: Sie haben gemeint, es sollte eine europäische gesetzliche Lösung geben. Halten Sie es denn für denkbar, dass die Briten, die ja in biopolitischer Hinsicht äußerst liberal sind, restriktivere europäische Regeln akzeptieren und sich so ihren Standortvorteil wieder wegnehmen lassen würden?
Bartenstein:
Es mag sein, dass die normative Kraft des Faktischen eher für einen liberalen Ansatz spricht. Es hat sich ja gezeigt, dass man der Forschung selten Schranken vorsetzen konnte, schon gar nicht Grenzbalken. Dennoch bin ich für europäische Regelungen, denn die Alternative wären national unterschiedliche Gesetze, die nur den Forschungstourismus beleben.
STANDARD: Kann es sein, dass Sie dabei schon an die eigene Zukunft nach der Politik denken? Als Pharma-Industrieller würden Sie von dieser Entwicklung ja profitieren.
Bartenstein:
Als jemand, der Chemie studiert hat, tu ich mir natürlich mit dem Zugang zum Thema selbst leichter. Und ich habe in den vergangenen 20 Jahren so manche Medikamenteneuphorie mitgemacht, die sich im Nachhinein als nicht gerechtfertigt herausgestellt hat. Aber jeder, der die geringste Ahnung von dem hat, was ich unternehmerisch gemacht habe, weiß, dass man als Generika-Spezialist nicht zu den unmittelbaren Profiteuren dieser Forschung gehört. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 11. 2001)