Mensch
Wie sich ein Virus in eine lebende Zelle einschleicht
Genforscher machten erstmals einen einzelnen Infektionsvorgang sichtbar
München - Genforschern der Universität München ist ein
Durchbruch bei der Bekämpfung von Infektionen gelungen. Wie der
Chemieprofessor Christoph Bräuchle am Donnerstag erklärte, konnten
sie erstmals den Weg eines einzelnen Virus in eine lebende Zelle
sichtbar machen. Zur Überraschung der Experten glitten die Viren wie
durch Röhren von der Zellhülle zum Zellkern. Diese Erkenntnis werde
Medikamenten neue Ansatzpunkte liefern.
Die Wissenschafter vom Genzentrum der Uniklinik und dem Center of
NanoScience der Uni München hatten Viren mit einem fluoreszierenden
Farbstoff markiert, um ihren Angriff auf die Zellen sichtbar zu
machen. Ein Virus attackierte eine Zelle bis zu fünf Mal, jeweils
aber höchstens eine Sekunde lang. Nur ein Bruchteil der Viren
durchdrang die Zellmembran. Aber die Infektion erfolgte rascher als
bisher vermutet. Die erfolgreichen Eindringlinge hatten in Sekunden
oder in wenigen Minuten ihr Ziel, den Zellkern, erreicht. Die Hälfte
der Versuchszellen war schon in einer Viertelstunde infiziert, wie
Bräuchle sagte.
Zur Verblüffung der Forscher wurden die Viren wie durch Röhren zum
Zellkern gelenkt. "Einige dieser Bahnen wurden mehrere Male
hintereinander von verschiedenen viralen Partikeln benutzt", sagte
der Wissenschafter. Diese Erkenntnisse über die Bewegungsbahnen der
Viren erleichterten es Arzneiherstellern, neue Alternativen zur
Blockade von Infektionen zu finden. Die Einsichten legten auch neue
Transportwege für gentherapeutische Medikamente direkt in den
Zellkern nahe. Die Forscher veröffentlichen ihre Erkentnisse in der
Wissenschaftszeitschrift "Science". (APA/AP)