Zeit
Der Limes ist in Gefahr
Am ehemaligen Grenzwall des Römischen Reichs nagt die Zeit
Lich - Deutschlands größtes Bodendenkmal, der Grenzwall
Limes aus der Römerzeit, ist in Gefahr. Wind und Wetter nagen an
seiner verbliebenen Substanz, landwirtschaftliche Geräte setzen ihm
zu, Häuser und Straßen werden einfach auf die Reste der römischen
Verteidigungslinie gebaut. "Da ist über weite Strecken viel kaputt
gegangen", sagt der hessische Landesarchäologe Egon Schallmayer. Vier
Bundesländer wollen daher versuchen, die ehemalige Grenze des
Römischen Reichs zum Weltkulturerbe erklären zu lassen. "Wir hoffen
damit auf einen zumindest 99-prozentigen Schutz des Limes."
Bei der ersten Limes-Tagung in Lich bei Gießen diskutieren seit
Donnerstag rund 50 Archäologen, Denkmalpfleger und Historiker über
offene Fragen in Sachen "Limes". Der 550 Kilometer lange Grenzwall,
der einst das kultivierte Römerreich vom wilden Germanien trennte,
schlängelt sich heute durch Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern und
Baden-Württemberg. Über Verlauf, Funktion und Geschichte der antiken
Architektur gebe es jedoch noch große Wissenslücken, erzählt der
Leiter des Projekts "Weltkulturerbe Limes", Andreas Thiel vom
Landesdenkmalamt Baden-Württemberg.
Alte Quellen fehlen
Das "Neuland" Limes zu erforschen ist so schwer, weil keine alten
Quellen über die beeindruckende Verteidigungslinie existieren. "Für
die Römer war der Limes offenbar keine Besonderheit - es steht nicht
mal in den römischen 'Tageszeitungen', dass er gebaut wurde",
berichtet Thiel. Das heutige Wissen über die römisch-germanische
Grenze stamme allein aus der Archäologie - und aus den Erkenntnissen
der Reichs-Limeskommission, die 1892 in Berlin gegründet wurde.
"Unsere aktuellen Standardwerke sind mehr als 100 Jahre alt", sagt
Hessens oberster Archäologe Schallmayer.
Nach dem "Limes-Boom" um die Jahrhundertwende ist der
Forschungszweig nach Thiels Angaben allmählich verdorrt. Mit den
ausgefeilten naturwissenschaftlichen Verfahren, die seit einigen
Jahren in der Archäologie eingesetzt werden, habe das Studium der
alten Gemäuer wieder an Faszination gewonnen. So könne der nur
schlecht erhaltene Limes in der Wetterau mit Luftbildern sichtbar
gemacht werden. "Und mit geophysikalischen Methoden können wir den
Grundriss eines Kastells vollkommen erforschen, ohne auch nur einmal
mit dem Spaten ins Gelände zu ziehen", erzählt der Archäologe.
Erhalten ...
Am besten erhalten ist der ehemalige Grenzwall nach Einschätzung
der beiden Experten im Taunus und in Baden-Württemberg. "Im Taunus
sieht man sehr schön den Aufbau des Limes: Graben und Wall, und auch
die Schutthügel der Wachtürme", berichtet Landesarchäologe
Schallmayer. Warum nur an einigen Strecken der Grenzmarkierung so
genannte Palisaden - dichte Zäune aus Baumstämmen - stehen, gibt den
Wissenschaftlern noch Rätsel auf. "Vielleicht war der Limes gar nicht
mal so sehr eine militärische Linie, als viel mehr eine
wirtschaftspolitische", meint Schallmayer. Um die eigene Provinz
finanziell besser da stehen zu lassen, hätten Waren aus anderen
Landesteilen zum Beispiel mit Steuern oder Zöllen belegt werden
können.
Dass mindestens 80 Kilometer des Grenzwalls schnurgerade durch das
Land führen, sorgt bei den Forschern ebenfalls für Stirnrunzeln. "Die
Römer haben den Limes ohne Rücksicht auf Stock und Stein wie mit
einem Lineal auf der Karte gezogen - aber sie hatten ja gar keine
Karte", sagt Projektleiter Thiel.
Bis Februar 2003 muss der Antrag für die Aufnahme in die Liste des
Weltkulturerbes fertig sein. Die Unesco entscheidet allerdings erst
im Dezember 2004.
(APA/dpa)