Berlin/Bonn/Wien - Auf gemischte Reaktionen stieß die Empfehlung des deutschen Ethikrates, den Import von embryonalen Stammzellen zu Forschungszwecken zu erlauben. Das von Kanzler Gerhard Schröder eingesetzte 25-köpfige Gremium hatte ja am Donnerstag mit 14 zu neun Stimmen dafür votiert. Der Neuropathologe Otmar Wiestler von der Uni Bonn, der mit seinem Antrag auf Forschungsförderung die Debatte mit ausgelöst hatte, zeigt sich im STANDARD-Gespräch naturgemäß zufrieden. Das ebenfalls beratene Herstellen von Embryozellen in Deutschland, das - im Gegensatz zum Import - noch illegal ist, lehnt er aber ab: "Im Moment reichen die international verfügbaren Zelllinien für die nächsten fünf Jahre völlig aus." Enttäuscht zeigte sich Therese Neuer-Miebach, Soziologin und Mitglied des Ethikrates, dass die empfohlenen Auflagen "hinter jenen in den USA" lägen. Denn sie beschränkten sich nicht auf bereits tiefgefrorene Embryonen und bestehende Zelllinien. Obwohl alle Befürworter nur Forschung an "überzähligen" wollten, kritisiert Neuer, sei "Überzähligkeit überhaupt nicht definiert". Sie wollte ein vorläufiges Moratorium zur Klärung rechtlicher Fragen, etwa der empfohlenen zentralen Kommission, fand aber keine Mehrheit. Alfred Kocher, der am Wiener AKH eine klinische Studie mit adulten Stammzellen betreut, hält die Empfehlung für "keine schlechte Entscheidung", räumt aber ein: "Ich habe keine fertige Meinung dazu, weil ich nicht weiß, was wir uns damit eröffnen". Er denke aber, es sei besser so "als in Ländern, wo es schlechter kontrollierbar ist." Erste Erfolgsmeldung Unterdessen berichtet Nature Biotechnology in seiner Dezember-Ausgabe, zwei Forschergruppen um Wiestlers Bonner Kollegen Oliver Brüstle (Universität Wisconsin) und Benjamin Reubinoff vom Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem hätten menschliche Embryozellen erfolgreich zu Vorläufern von Nervenzellen differenziert und in Mäusegehirne eingebracht. Ob sie dort funktionierten, steht noch nicht fest. Das Tumorrisiko haben die Forscher offenbar durch Zellauswahl im Griff. (DER STAndard;Printausgabe, 1.12.2001)