Seattle - Nach einer Jahrzehnte langen Fahndung könnte eine der schlimmsten Mordserien der US-Kriminalgeschichte vor der Aufklärung stehen. Dem "Green River Killer" sind in Seattle (Bundesstaat Washington) in den achtziger Jahren bis zu 49 Frauen und Mädchen zum Opfer gefallen. Wegen dringenden Tatverdachts in vier dieser Fälle wurde am Freitag ein 52 Jahre alter Arbeiter festgenommen, der seit langem als einer der Hauptverdächtigen galt. Er wird verdächtigt, auch die anderen Opfer umgebracht zu haben, meist Ausreißerinnen und Prostituierte aus Seattles Rotlichtbezirk, die jüngste 15, die meisten nicht älter als 21. Viele der Toten, die von 1982 bis 1984 am Green River zwischen Seattle und Portland verscharrt wurden, waren bei ihrer Entdeckung stark verwest. "Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass Mr. **** für alle diese Todesfälle verantwortlich ist", sagte Sheriff Dave Reichert, "aber wir haben einen Riesenschritt vorwärts gemacht." Über eine Anklage wird in dieser Woche entschieden. DNA-Test gab Ausschlag Zum Verhängnis wurde dem mutmaßlichen Mörder eine Speichelprobe, die er schon 1987 gegeben hatte. Verfeinerte DNA-Tests wiesen jetzt eine direkte Verbindung mit drei Toten nach. Bei einer vierten wurden andere, nicht näher beschriebene Beweise gefunden. "Glücklicherweise haben wir Mr. **** damals gebeten, auf einem Stück Gaze zu kauen, das all diese Jahre lang aufbewahrt wurde", sagte Reichert. "Damals haben wir gehofft, dass die Technologie besser würde - und sie ist besser geworden." Der verheiratete Mann, der einen erwachsenen Sohn hat, ist in zwei Fällen vorbestraft, beide Male, weil er sich Prostituierten näherte. Er war den Fahndern frühzeitig aufgefallen. Zeugen hatten ihn mit zwei späteren Mordopfern gesehen. Er konnte aber aus Mangel an Beweisen nicht belangt werden. Opferzahl offen, eventuell auch Täterzahl Für die Suche nach dem Killer gaben die Behörden mehr als 15 Millionen Dollaraus. Sie füllten 750 Ordner mit Akten und studierten Material über rund 18.000 Verdächtige. Mindestens ein anderer Verdächtiger wurde 1982 festgenommen, aber nicht angeklagt. Die Fahnder hoffen nun, dass sich die Mordfälle und das Schicksal von sieben vermissten Frauen klären lassen. Alle Opfer trugen nach Polizeiangaben eine "Signatur", die eine Serientat nahe legt. Möglicherweise seien einige Morde aber auch von Nachahmungstätern begangen worden. Warum die Mordserie 1984 plötzlich abbrach, ist ein Rätsel. Vielleicht aber tat sie es gar nicht: Wenige Autostunden Richtung Norden warten in der kanadischen Stadt Vancouver Dutzende Morde auf Aufklärung. Die bekannten Namen Hätte der mutmaßliche Täter tatsächlich alle Opfer in Seattle auf dem Gewissen, wäre es einer der größten Fälle der amerikanischen Kriminalgeschichte. Aus einer langen Reihe von Serientätern der jüngsten Zeit ragen Donald Leroy Evans, Charles Henry Williams, Joel Rifkin und Jeffrey L. Dahmer heraus. Evans gestand 1991 in Biloxi (Mississippi) 72 angebliche Morde, meist an Frauen. Ob dies zutrifft, ist jedoch umstritten. Williams hat von 1984 bis 1991 möglicherweise bis zu 32 Frauen aus dem Prostituierten- und Suchtgiftmilieu der Miami-Vorstadt Overtown (Florida) getötet. Rifkin, wegen sechsfachen Mordes zwischen 1990 und 1993 in New York verurteilt, hat möglicherweise bis zu 18 Frauen auf dem Gewissen. Eine der grausigsten Mordserien verübte Dahmer, der seine mindestens 17 Opfer, alles Männer, zerstückelte und Leichenteile aß. Der "Kannibale von Milwaukee" wurde im November 1994 im Gefängnis von einem Mithäftling getötet. (APA/dpa)