Jerusalem - Die matt beleuchtete Bar ist vollbesetzt, die Rockmusik dröhnt, und Koch Janai Sapir wirft gut gelaunt Schrimps in einen Wok. Dann erschüttern zwei Explosionen einen Häuserblock entfernt das "Sansibar". Gäste werden von den Stühlen gerissen, Glasscheiben zerbrechen.

22.30 Uhr, Hochbetrieb im Café-Bezirk. 30 Meter entfernt voneinander stehend, zünden zwei Palästinenser ihre mit Nägeln und Metallteilen gefüllten Sprengsätze. Der 20-jährige Nir Ledani ist mit Freunden unterwegs, als er von einem Metallsplitter und Nagel der explodierenden Sprengsätze in der Schulter getroffen wird. "Ich hörte das Geräusch einer Sicherung", sagt er eine Stunde später im Krankenhaus. "Dann hörte ich einen Knall und sah einen orangenfarbenen Blitz."

Metallsplitter und Nägel sollten die tödliche Wirkung der Sprengsätze verstärken. Auf der Straße bot sich nach den Explosionen ein Bild des Grauens. Auf Glasscherben und in Blutlachen lagen Körperteile, Fleischfetzen, Tote und Verletzte. Das Blut spritzte bis zum zweiten Stock umliegender Gebäude. Überall lagen Metallsplitter, Nägel und Schrauben herum.

Kurz nach den beiden Detonationen fliegt noch ein vor einem Eiscafé geparktes Auto in die Luft. Erneut Panik, Menschen laufen in alle Richtungen davon. Leute brechen weinend zusammen, Rettungsmannschaften versorgen die Verwundeten und bringen sie in Krankenhäuser. Alle Straßen, die in das Herz der Innenstadt führen, werden gesperrt, darunter auch die Hauptverkehrsschlagader der Stadt, die Jaffa-Straße.

Im "Sansibar" sitzen noch die konsternierten Angestellten. Sie wagen es nicht, hinauszugehen, und sehen sich die schrecklichen Bilder im Fernsehen an. "Man sieht kein Ende von all dem", sagt der 24-jährige Sapir. "Das ist Terror. Man weiß nie, wo es geschehen wird." Das alles erinnere ihn an ein israelisches Theaterstück, "in dem es eine Spirale der Gewalt gibt, in der rachsüchtige Menschen immer die Falschen umbringen". Sapir hält einen Moment inne und sagt: "Es ist einfach absurd." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.12.2001)