Die Architektur ist eine gefährdete Pflanze, sagt BIG-Prokurist Peter Holzer. Wenn nach einem ordentlichen Donnerwetter die Sonne wieder scheint, kann der Guss ganz fruchtbar für sie gewesen sein, wie das Beispiel Krems nun zeigt.
Von Ute Woltron
(architektur@derStandard.at)
Vergangene Woche hat das Album an dieser Stelle über ein Wettbewerbsverfahren in Krems berichtet , das von heftigen Spannungen und Aufladungen vor allem innerhalb der Jury gekennzeichnet war. Ein von einem der Wettbewerbsteilnehmer, Günter Katherl, zufällig mitgehörtes Telefonat zwischen dem ebenfalls im Rennen befindlichen Architekten, Gustav Peichl, und dem Vorprüfer, Helmut Kunze, am Tag der Abgabe hatte für Aufregung gesorgt. Gegenstand des Gesprächs war das Jurymitglied Manfred Wolff-Plottegg gewesen, der sich gemeinsam mit Jurykollegen Gerhard Steixner geweigert hatte, das Protokoll der ersten Verfahrensstufe zu unterschreiben, und der in der Folge erst in letzter Sekunde und nach schriftlicher Aufforderung durch die Architektenkammer als Juror in die zweite Runde geladen wurde. Vergangenen Mittwoch kam es vor der entscheidenden Jurysitzung schließlich zu heftigen Entladungen, die vorhandene Elektrizität konnte jedoch sinnvoll abgeleitet werden. Sorge dafür trug die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) als Ausloberin des Kremser Verfahrens, das eine Erweiterung der dort beheimateten Tourismusschule mit dem komplizierten Namen HBLAfT/BHAK/BHAS darstellt. DER STANDARD wurde von der BIG zur Teilnahme an der Debatte eingeladen. Ihr Prokurist Peter Holzer nahm stellvertretend für den mächtigen Bauherren, den er repräsentiert, die Gelegenheit vor Ort wahr, um etwaige Verfahrensschlampereien auch mittels juristischen Beistands zu hinterfragen, einer Klärung zuzuführen und allgemein für eine neue, sorgfältigere Umgangskultur aller Beteiligten untereinander zu plädieren. Erst nach fast fünfstündiger teils hitziger Diskussion über den kritisierten Ablauf des Verfahrens schritt man zur eigentlichen Jurysitzung und fand mit dem Projekt von Reinhard Halswanter einstimmig den Sieger. Eine als vorbildlich bezeichnete Teillösung von Günter Katherl soll in Form einer Arbeitsgemeinschaft in das Projekt eingearbeitet werden. DER STANDARD erkundigte sich bei Peter Holzer über etwaige Nachwirkungen des klärenden Architekturgewitters, die Rolle der Bundesimmobiliengesellschaft als potentester Architekturauftraggeber der Republik und über die hochkompetitive Situation, in der sich die Architektenschaft befindet. STANDARD: Nach dem Bericht im ALBUM der Vorwoche hat Jury-Vorsitzender Wilhelm Holzbauer von einer nicht gerechtfertigten "Skandalisierung" dieses Wettbewerbs durch den STANDARD gesprochen. Hegen Sie ähnliche Empfindungen? Peter Holzer : Ich sehe das nicht so, obwohl wir als Auslober von dem Bericht selbst überrascht wurden. Unser spontaner Zugang war, alle Beteiligten an einem Tisch zu versammeln und die Angelegenheit aufzuklären, bevor die eigentliche Juryarbeit weitergeht. Wir haben sowohl unseren als auch den Anwalt der Architektenkammer dazugebeten. Ich sehe das als notwendigen Ordnungsruf zu mehr Präzision, zu besserer Dokumentation und zu größerer Exaktheit. Ich denke, dass ein positiver Disziplinierungseffekt damit erzielt wurde. STANDARD: Hat sich in Wettbewerbe prinzipiell eine gewisse routinemäßige Schlampigkeit eingeschlichen? Holzer : Man kann Routine positiv und negativ sehen, die Routiniertheit birgt in allen Arbeitsprozessen die Gefahr einer gewissen Schlampigkeit und Oberflächlichkeit. Wettbewerbe sind prinzipiell ausgesprochen heikel, wir wissen, wie gefährlich Unpräzision hier ist, und deshalb wollten wir auch im Falle Krems jetzt bewusst genau und akkurat vorgehen. STANDARD: Die BIG ist der wichtigste Auftraggeber der Republik. Nehmen Sie Ihre Vorbildwirkung wahr? Holzer : Als BIG befinden wir uns natürlich im kritischen Beobachtungsfeld der Branche. Wir sind erst seit 1993 operativ tätig, und unser Wirken wird genau beobachtet. Wir bemühen uns, den schwierigen Spagat zwischen Kosten, Wirtschaftlichkeit und architektonischer Qualität zu schaffen. Das ist das oberste Ziel, an dem wir beständig feilen, deshalb muss man auch in Planungsprozesse einsickernde Schlampereien herausfiltern, denn nur dann kann es erreicht werden. Schließlich wollen wir beweisen, dass gute Architektur mit einem sauberen Auslobungsprozess beginnt. Wenn hier bereits Ungenauigkeiten einreißen, ist das gesamte Ziel gefährdet. STANDARD: Die BIG ist allgemein ziemlich gut beleumundet in der Branche. Unternehmen Sie auch Anstrengungen, junge Architekten zu fördern? Holzer : Wir beschreiten sehr häufig den Weg des anonymen Verfahrens, gerade um auch jungen Architekten die Chance zu geben, in den Arbeitsprozess einzusteigen, und um sie zu fördern. Außerdem bringt das eine Vielfalt in der Planerauswahl. STANDARD: Architekturwettbewerbe werden von ihren Teilnehmern häufig als ungemein aufwendig und ruinös bezeichnet. Haben Sie hier ein Instrument entwickelt, dem entgegenzusteuern? Holzer : Auch die Minimierung des Aufwandes, eine bewusste Schmälerung der Leistung ist eines unserer Ziele. Wir geben etwa meistens das Papierformat vor, damit der Wettbewerb nicht in eine Materialschlacht ausartet. Man muss sich vor Augen halten, was es bedeutet, wenn sich, wie das oft der Fall ist, bis zu 80 Architekten an einem Verfahren beteiligen. 79 davon haben umsonst gearbeitet, das bedeutet nicht nur für sie selbst, sondern auch volkswirtschaftlich einiges, und diesen Umstand muss ein Auslober ebenfalls im Auge behalten. STANDARD: Warum gilt bei BIG-Wettbewerben einmal die Wettbewerbsordnung für Architekten (WOA), ein andermal aber nicht? Holzer : Wir sind selbst noch Suchende nach dem idealen Verfahren. Es gibt sehr heikle juristische Spielregeln, wir versuchen, verschiedene Wege auszuprobieren, in aller Regel schreiben wir aber nach WOA aus. STANDARD: Ziehen Sie, wenn man das so formulieren darf, eine persönliche Lehre aus den Vorkommnissen in Krems? Holzer : Wir werden künftig versuchen, vermehrt Einfluss auf die Wettbewerbsvorbereitung zu nehmen. Die Unterlagen, die den Planern zur Verfügung gestellt werden, müssen einwandfrei sein. Auch die Abwicklung des Verfahrens, vom ersten Hearing bis zur entscheidenden Sitzung, muss im Dienste der Objektivierung präzise und ohne mündliche Statements, etwa zwischen Vorprüfer und Teilnehmern, ablaufen. Hintergrundgespräche halte ich für das Gefährlichste, Chancengleichheit für alle für das Wichtigste. Nur wenn Informationsgleichstand herrscht, kann ein einwandfreier, objektiver Prozess ablaufen. Alles andere wird schwierig. STANDARD: Die Architekten können nicht gerade aus einer reichen Wettbewerbsfülle schöpfen. Hat auch das Einfluss auf die momentan etwas aufgeheizte Stimmung in der Szene? Holzer : Wir schreiben jährlich etwa fünf bis zehn Verfahren aus und sind damit ebenfalls etwas rückläufig. Die Branche ist im Moment tatsächlich sensibilisiert, die Ausdünnung der Auftragssituation ist natürlich einer der Gründe dafür. Es gibt zu wenig Geschäft für zu viele Architekten. Die Beteiligungszahlen der einzelnen Wettbewerbe steigen enorm, was selbstverständlich auch eine ungeheure psychische und physische Belastung für die Juroren bedeutet. Wir nehmen uns mittlerweile zwei Tage für die Beurteilung Zeit, Wettbewerbe mit bis zu 100 Teilnehmern sind bereits an der Grenze des Machbaren. STANDARD: Gebaut wird zwar relativ viel, die Architekten scheinen hier aber ein wenig den Anschluss zu verlieren. Woran liegt das? Holzer : Wenn es so weitergeht, wird diese wichtige Branche tatsächlich gesellschaftspolitisch in eine Randsituation manipuliert. Vieles bleibt, ohne architektonische Planung, im Mittelmaß, beträchtliche Investitionen werden getätigt, ohne Architekten am Planungsprozess zu beteiligen. Das schadet letztlich unserer kulturellen Gesinnung, es ist ausgesprochen unvernünftig, Projekte an dieser schillernden, flimmernden Architektenwelt vorbeizumanövrieren. Der Wert guter Architektur ist in unserer Gesellschaft bedauerlicherweise nicht sehr verankert. Wir versuchen unseren Beitrag zu leisten und diese gefährdete Pflanze Architektur zu schützen. Es gelingt nicht immer, wir versuchen es trotzdem unentwegt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1./2. 12. 2001)