EU
Böse "Kiotokraten"? - von Margot Wallström
EU-Replik auf Vorbehalte der heimischen Wirtschaft gegen "Emissionshandel"
In Marrakesch ist es gelungen, die nach der Klimakonferenz in Bonn verbliebenen Detailfragen zur Umsetzung des Protokolls von
Kioto zu lösen. Die EU strebt nun dessen Inkrafttreten noch vor dem im September 2002 in Johannesburg stattfindenden Weltgipfel
zur nachhaltigen Entwicklung an.
Einen Teil des Weges zur Erreichung des Kioto-Ziels - achtprozentige Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2008-2012 im
Vergleich zu 1990 hat die Union bereits hinter sich gebracht. Die Emissionen haben sich von 1990 bis 1999 um 4 Prozent
verringert. Weitere Maßnahmen sind notwendig, da sich der Treibhausgasausstoß bei weiterem Wirtschaftswachstum bis
2008-2012 bestenfalls auf dem Niveau von 1990 stabilisiert. Vor diesem Hintergrund hat die Kommission vor einigen Wochen einen
Richtlinienvorschlag zum Emissionshandel in der EU vorgelegt: Er sieht vor, dass ab 2005 etwa 4000 bis 5000 große
Industrieanlagen, die 2010 zusammen für etwa 46 Prozent der gesamten CO-Emissionen der EU verantwortlich sein werden, eine
Genehmigung für den Treibhausgasausstoß benötigen und auf dieser Grundlage handelbare Emissionsrechte zugeteilt bekommen.
Der Handel mit diesen Zertifikaten ermöglicht es Anlagebetreibern, die ihre Emissionen unter die ihnen zugeteilten CO-Rechte
absenken, die entsprechenden Zertifikate zu verkaufen; und jene, bei denen die CO-Minderung mit höheren Kosten verbunden ist,
dürften es billiger finden, ihren CO-Ausstoß durch den Kauf von Zertifikaten abzudecken. Durch diesen Marktmechanismus wird
erreicht, dass die notwendige CO-Verringerung dort erzielt wird, wo sie am kostengünstigsten ist.
Nachdem unser Vorschlag bei der österreichischen Wirtschaft auf Kritik gestoßen ist, die unter anderem mit dem Schlagwort
"Kiotokratie" überschrieben wurde, möchte ich gerne zwei Punkte klarstellen:
1. Der Emissionshandel auf europaweiter Ebene bietet Unternehmen, im Vergleich etwa zu national beschränkten Ansätzen,
zusätzliche Flexibilität, Kostensenkungspotenziale auszuschöpfen und Innovationen in Emissionsminderungstechnologien rentabel
zu machen. Daher kann ich den Einwand der fehlenden Flexibilität und Behinderung von Innovationsschüben nicht nachvollziehen -
zumal der Emissionshandel in der praktischen Umsetzung mit weniger Bürokratie und Einflussnahme von Behörden verbunden ist
als manch anderes Instrument und unser Vorschlag auf bestehende Verfahren zur Anlagengenehmigung zurückgreift.
2. Was die ebenfalls bemängelte Anwendung "drastischer Strafen" betrifft, falls eine Anlage mehr emittiert als sie an
Emissionszertifikaten hält: Ausreichend hohe Strafen sind von zentraler Bedeutung für den Erfolg des Instruments, geben sie doch
dem einzelnen Unternehmen die Sicherheit, dass auch die Konkurrenten sich an die Spielregeln halten.
Die von der Industrie ins Spiel brachte Idee eines rein freiwilligen Emissionshandelssystems (einschließlich der Gewährung
finanzieller Anreize zur Teilnahme) halte ich nicht für zielführend: Der Emissionsmarkt würde sich verkleinern und wäre daher für die
Marktteilnehmer weniger attraktiv. Ein Markt kann nicht funktionieren, wenn sich nur interessierte Verkäufer auf ihm wiederfinden,
während sich die potenziellen Käufer heraushalten. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 3.12.2001)