Europa
Schweizer Volksabstimmung: Wunsch nach Stabilität
"Schweiz ohne Armee", "Friedensdienst", "Kapitalgewinnsteuer" und "Energiesteuer" scheiterten - "Schuldenbremse" angenommen
Bern - Die Schweizer Presse sieht in ihren
Montagsausgaben in der eindeutigen Absage an die vier Initiativen zu
zu den Themen "Schweiz ohne Armee", "Friedensdienst",
"Kapitalgewinnsteuer" und "Energiesteuer" sowie in der Zustimmung zum
Antrag einer "Schuldenbremse" den Wunsch nach klaren Verhältnissen in
unsicheren Zeiten.
"Stabilität über alles", titelt die
"Berner Zeitung"
ihren
Kommentar. "Die erste Botschaft des Stimmvolkes vom Wochenende heißt:
Keine Experimente", schreibt der Blick.
So sieht es auch die
"Neue Zürcher Zeitung"
(NZZ). Als
bemerkenswert bezeichnet die NZZ weiter das deutliche Ja zur
Schuldenbremse. "Wenn 85 Prozent der Abstimmenden der
Schuldenwirtschaft des Bundes einen Riegel vorschieben und
gleichzeitig keine neuen Steuern bewilligen, resultiert daraus ein
unmissverständlicher Sparauftrag für Bundesrat und Parlament."
Die
"Basler Zeitung"
hat sich bereits Gedanken darüber gemacht, ab
wann es diesen finanzpolitischen Auftrag in die Tat umzusetzen gilt:
Bereits am Montag bei der Budgetdebatte im Nationalrat. "Wer es jetzt
noch wagt, für skurrile Sonderwünsche von links oder rechts das Wort
zu ergreifen, riskiert damit, die Quittung bei den eidgenössischen
Wahlen 2003 zu erhalten."
Für das
"St. Galler Tagblatt"
bleibt nach dem klaren Nein zur
Kapitalgewinnsteuer die Tatsache, dass die Nichtbesteuerung von
Einkünften aus dem Verkauf von Wertpapieren nicht nur ungerecht,
sondern auch steuertechnisch unlogisch sei.
Die Unlust, Kapital zu versteuern sei aber nicht der einzige Grund
für das Nein, schreibt die
"Südostschweiz"
. "Dazu gesellte sich der
fast schon automatische Reflex von Herr und Frau Schweizer, dass eine
(zusätzliche) neue Steuer ungerecht ist."
Zum Nein zur zweiten Armeeabschaffungsinitiative schreibt der
"Tages-Anzeiger"
: "Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee kann
abdanken; die Friedensbewegung ist tot." Das deutliche Nein sei zu
erwarten gewesen. "Anders als 1989 gab es diesmal kein Tabu mehr zu
brechen."
In der Verunsicherung seit dem 11. September und dem
Swissair-Zusammenbruch hätten auch Leute, die sich eine kleinere und
andere Armee wünschten, die Abschaffungsinitiative nicht als
Denkanstoss gesehen, sondern als landesschädigende Provokation,
schreibt der Berner
"Bund"
.
Die
"Aargauer Zeitung"
attestiert den Armeegegnern - nicht als
einzige Zeitung - Sturheit. Die Gruppe habe ausgeblendet, was nicht
"in ihr ideologisch geprägtes Weltbild" passe. Vergessen wurde, dass
eine beispiellose Armeereform umgesetzt werde. Sie täte besser daran,
den Reformprozess kritisch zu begleiten, statt sich weiterhin gegen
die Militärs zu stemmen, rät das Blatt.
Die
"Neue Luzerner Zeitung"
sieht im Abstimmungsresultat "einen
Bumerang für linke Anliegen." Auch die Westschweizer Zeitung "Le
Temps" schreibt von einer "verletzenden Niederlage für die linken
Strategen und Ökologen".
In
"Le Temps"
bringt eine Karikatur von Chapatte die Sache auf den
Punkt. Da umarmt ein höherer Militär einen Armeegegner innig mit
einem großen "Merci!". Im Hintergrund blättern weitere Offiziere im
Bestellkatalog 2003 und stoßen unter Freudenschüssen mit Champagner
an.
"L'Express"
findet, dass die Linke ihre Strategie völlig
überdenken müsse. Bei der Ablehnung der Armeeabschaffungsinitiative
seien dazu die Terrorismusgefahr, der Krieg in Afghanistan und die
Situation im Nahen Osten gekommen, welche der militärischen
Verteidigung eine neue Glaubwürdigkeit verliehen hätten.
Für die
"Tribune de Geneve"
sind die Resultate Ausdruck einer
Situation der Verunsicherung, in der es keinen Platz für
Überraschungen hat. Sie titelt: "Ein vereintes Volk in Zeiten der
Bedachtsamkeit".
"Le Matin"
bringt die Frustration von Initianten aufs Tapet. In
der Demokratie sei Vorschlagen zwar erlaubt. Dass den Vorschlägen
aber gefolgt werde, könne man sich abschminken. Dennoch bleiben
Initiativen laut der Zeitung nicht ohne Wirkung. Ohne die 36 Prozent
für die Abschaffung der Armee 1989 wäre es kaum vorstellbar gewesen,
dass man dem Militär die Finanzen beschnitt. So könnten sich die
Initianten der Kapitalgewinnsteuer mit ihren 34 Prozent glücklich
schätzen. (APA/sda)