Innsbruck - "An den Universitäten findet derzeit mit der Arbeit an den neuen Studienplänen ein beachtlicher inhaltlicher Reformprozess statt, vielleicht der größte seit den 70er-Jahren", sagt der Innsbrucker Bildungswissenschafter Bernhard Rathmayr. Nur: Wahrgenommen werde dies kaum. In der von Studiengebühren, Zugangsbeschränkungen und Budgetmaßnahmen beherrschten Bildungsdebatte bleibt für Information über die Grundlagenarbeit an den Studienplänen kaum Platz. "Derzeit wird nur mehr der Ausbildungsauftrag der Unis diskutiert, nicht mehr ihr breiter Bildungsauftrag", sagt Rathmayr. Dabei gerate in Vergessenheit, dass ja erst die Verknüpfung von beidem für die Universitäten "konstitutiv" sei. Zudem wäre ein vernetztes Denken in der Bildungspolitik angesichts der wachsenden Zahl an Fachhochschullehrgängen notwendig, meint der kritische Pädagoge. Der Impuls für die mehrjährige Arbeit an der Studienplanreform, die 2002 abzuschließen ist, kam durch das Universitätsstudiengesetz von 1997, das Rathmayr als "Chance" lobt: "Die Gestaltungsmöglichkeiten für die Institute sind groß." An der Innsbrucker Erziehungswissenschaft, dem größten von 20 Instituten der Geisteswissenschaft mit 1380 Studierenden - 19 Prozent weniger nach Einführung der Studiengebühren -, wurden diese Freiräume vor allem genutzt, um die in den letzten Jahren gewachsene sozial- und kulturwissenschaftliche Orientierung fest zu verankern. Dies zeigt sich vor allem an sieben Studienzweigen des zweiten Studienabschnitts, die gezielter auf die künftigen Berufsfelder ausgerichtet sind: Ein Großteil der jährlich rund 100 AbsolventInnen (etwa drei Viertel sind Frauen) findet Arbeit in sozialen Einrichtungen, in der Erziehunsgberatung, in der Jugend-oder Behindertenbetreuung, bei Nichtregierungsorganisationen oder als Therapeuten. Konzepte im Wandel Der Studienzweig "Erziehung - Generationen - Lebenslauf" thematisiert etwa Erziehung und Bildung im Zusammenhang der Generationenverhältnisse in Familie und Gesellschaft auch ausgehend davon, dass sich derzeit "Konzepte von lebenslanger Identität" im Wandel befinden; er soll Voraussetzungen schaffen etwa für die Kinderbetreuung, die Familienfürsorge oder auch die Gewerkschaftsarbeit. "Integrative Pädagogik/Psychosoziale Arbeit" bildet gezielt für die Arbeit mit behinderten Menschen aus; der Schwerpunkt wird er- gänzt durch eine einmalige Volltextdatenbank zu Behindertenintegration mit derzeit gut 1000 Texten. Angegliedert an den Studienzweig ist als Teilbereich das Fach "Interkulturelles Lernen und Rassismusforschung", das etwa für Flüchtlingsarbeit oder Schulintegration von Ausländerkindern vorbereitet. Der Schwerpunkt "Kritische Geschlechter- und Sozialforschung" knüpft an 15 Jahre feministische Studien an, den einzigen derartigen Studienschwerpunkt in Österreich. Die "psychoanalytische Erziehungswissenschaft" soll Grundlagen für Therapeuten liefern, aber auch die Psychonalyse als Kulturwissenschaft näher bringen, "Medienpädagogik" wiederum der medialen Durchdringung unseres Alltags Rechnung tragen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4. 12. 2001)