Welt
US-Philosoph Richard Rorty erhält ersten Meister Eckhart-Preis
Berlin - Der US-Philosoph Richard Rorty ist am Montag in
Berlin mit dem erstmals verliehenen Meister-Eckhart-Preis
ausgezeichnet worden. Der Preis der Düsseldorfer Identity-Stiftung
ist mit 50.000 Euro (688.015 S) dotiert. Mit dem Preis wurde Rorty
als einer der anerkanntesten zeitgenössischen Philosophen gewürdigt,
der amerikanischen Pragmatismus mit europäischer Denktradition
verbinde, sagte der Juryvorsitzende Kurt Flasch (Universität Bochum).
In seiner Laudatio sagte der Philosoph Jürgen Habermas, Rorty sei
einer der wenigen amerikanischen Intellektuellen, deren Stimme über
den ganzen Kontinent gehört werde.Der Namenspatron
Der nach dem deutschen Mystiker Meister Eckhart (um 1260 bis 1327)
benannte Preis wird vom Düsseldorfer Unternehmer Paul Kothes und
seiner Frau Margret gestiftet. Die vor drei Jahren gegründete
Identity-Stiftung will vor allem die Wissenschaften fördern.
Vor Journalisten kritisierte Rorty die Afghanistan-Politik von US-
Präsident George Bush. Durch den Krieg würden die bürgerlichen
Freiheiten eingeschränkt. Die geplanten Militärtribunale für
mutmaßliche Terroristen sowie die Geheimhaltung weiterer Schritte in
der Regierung seien "entmutigende Zeichen" in einer Demokratie.
Der Preisträger
Der 1931 in New York geborene Rorty gehört zu den am meisten
diskutierten Philosophen der Gegenwart, der auch einem größeren
Publikum bekannt ist. Der Professor der Universität Stanford gilt als
einziger Amerikaner seines Fachgebiets, der sich in die Debatte über
postmoderne Denkströmungen eingemischt hat. Der 70-Jährige lehrt
heute an der Stanford Universität und gilt als einer bekanntesten
Vertreter der amerikanischen Linken.
Zu seinen bekanntesten Büchern gehören die Werke "Der Spiegel der
Philosophie" (1980), "Kontingenz, Ironie und Solidarität" (1989) und
"Stolz auf unser Land. Die amerikanische Linke und der Patriotismus"
(1999). Als seine wichtigsten Lehrern nannte Rorty die Philosophen
Jacques Derrida und Martin Heidegger.
Das Thema
Im Mittelpunkt von Rortys Werk steht die Frage, wie sich die
private Sehnsucht nach Selbstverwirklichung mit dem Wunsch der
Gemeinschaft nach sozialer Gerechtigkeit in Einklang bringen lässt.
Rorty lehnt es dabei ab, alle Aspekte des Lebens und des Denkens
unter einen gemeinsamen Nenner zu bringen und verweigert den
Intellektuellen die Rolle als "Meisterdenker". Sie sollten sich
darauf beschränken, einen Überblick der geistigen Strömungen zu
geben. Der Respekt vor den Anderen entstehe nicht aus
weltanschaulichen Gründen, sondern sei ganz normales menschliches
Gebot. Wegen dieser Haltung war Rorty von Fachkollegen als
"Relativist" kritisiert worden.
In seiner Laudatio sagte der Philosoph Jürgen Habermas, Rorty habe
dem Wunsch der Philosophie jene lebenspraktische Bedeutung
zurückzugeben, die sie einmal beansprucht habe. Philosophie solle dem
einzelnen Orientierung bieten und den moralischen Fortschritt der
Menschheit befördern. Dieses Selbstverständnis nannte Habermas eine
"Dekonstruktion, die sich vor allem gegen die Philosophen selber
richte". (APA/dpa)