Wirtschaft
Osterweiterung: Kandidaten profitieren zehn Mal stärker als EU-Länder
Wifo-Studie: Polen und Ungarn wachsen bis 2010 durch Beitritt um jährlich ein Prozent
Wien - Die Kandidatenländer der Europäischen Union (EU)
werden von ihrem Beitritt zur EU wirtschaftlich rund 10 mal stärker
profitieren als die EU-Länder selbst. Diese werden durch die
Erweiterung unter dem Strich freilich auch Nutzen ziehen, am
stärksten Deutschland und Österreich. Dies geht aus einer vom
Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) im Auftrag der
Industriellenvereinigung (IV) soeben fertiggestellten Studie hervor.
Die an Hand eines Rechenmodells kalkulierten Wohlfahrtseffekte, die
sich für Österreich durch einen Beitritt ergeben würden, entpuppen
sich dabei als durchaus überschaubar.Polen und Ungarn profitieren am stärksten
Am stärksten würden von einem Beitritt Ungarn und Polen
profitieren, die bis 2010 kumuliert zwischen 8 bis 9 Prozent stärker
wachsen würden als ohne Beitritt. Dies entspricht einem jährlichen
Wachstumsplus von knapp 1 Prozent. Demgegenüber nehmen sich die in
der EU durch den Beitritt erzielbaren Wachstumsraten wesentlich
bescheidener aus. Die Studie spricht im Schnitt bis 2010 von einem
zusätzlichen jährlichen Wachstumsimpuls von einem Zehntelprozent
jährlich. In Österreich würde dieses zusätzliche Wachstum mit 0,15
Prozent pro Jahr etwas höher ausfallen als im EU-Schnitt, ganz
ähnlich wie in Deutschland. Für Spanien, Portugal und Dänemark würden
nach der Modellrechnung die Kosten den Nutzen überwiegen.
Den Vergleich mit den ersten Jahren der "Ostöffnung" können die
erwarteten wirtschaftlichen Effekte der EU-Erweiterung jedenfalls
nicht aufnehmen: Von 1989 bis 1997 ließ die Ostöffnung das heimische
Bruottoinlandsprodukt um real 3,3 Prozent wachsen, die
Arbeitslosenquote ging um zusätzlich 0,2 Prozentpunkte zurück.
Insgesamt, rechnet die Industriellenvereinigung vor, seien seit der
Ostöffnung in Österreich zusätzlich 200.000 neue Jobs entstanden, die
österreichischen Exporte nach Osteuropa doppelt so schnell als im
Gesamtdurchschnitt gewachsen.
"Produktivitätsschock"
Die stärksten wirtschaftlichen Effekte auf Österreich hätte die
EU-Erweiterung nach Meinung der Wirtschaftsforscher in den ersten
drei Jahren nach dem Beitrittszeitpunkt - also voraussichtlich von
2005 bis 2007. Danach würde das zusätzliche Wachstum wieder langsam
abklingen, meinen die Wifo-Experten. Als wichtigster Auslöser des
Wachstums sei ein "Produktivitätsschock" zu erwarten, der die
Produktivität ansteigen, die Preise sinken und auch die
Arbeitslosigkeit etwas ansteigen lassen werde, meinen die
Studienautoren. Die Lohnquote werde dabei sinken, das heißt die
Gewinne würden auf Kosten der Löhne steigen.
Was die gesamten Kosten der Erweiterung betrifft, so rechnet das
Wifo mit Netto-Kosten von 60 Mrd. Euro, die auf die "alten" EU-Länder
zukommen. Das Wifo rechnet damit, dass unter den heutigen
EU-Mitgliedsländern die Nettoempfänger eine höhere Last zu tragen
haben als die Nettozahler. Dies gelte namentlich für die
Empfängerländer der Strukturfonds Griechenland, Irland, Portugal und
Spanien. (APA)