Der zypriotische Präsident Glafkos Klerides nahm am Dienstag eine Einladung von Rauf Denktas, dem Präsidenten der international nicht anerkannten "Türkischen Republik Nordzypern", zu einem gemeinsamen Essen an. Das Essen findet zu Ehren des UNO-Sonderbeauftragten Alvaro de Soto statt. Auf den ersten Blick ist die Erklärung, die de Soto am Dienstag nach dem nur einstündigen Treffen zwischen Klerides und Denktas in der UN-Pufferzone auf Zypern verlas, nicht besonders spektakulär. Kurz und knapp heißt es da, beide hätten sich geeinigt, Mitte Jänner ihre Gespräche unter der Schirmherrschaft der UNO in Zypern fortzusetzen. Die Gespräche sollen ohne Vorbedingungen geführt werden. Problem Anrede Was sich so einfach anhört, birgt in Wahrheit jede Menge Fallgruben, in denen die Zypern-Gespräche in der Vergangenheit regelmäßig landeten. Das beginnt bereits bei der Anrede. Vor einem Jahr verließ Denktas in New York den Verhandlungstisch, weil er nicht als gleichberechtigter Partner, sprich Präsident der Republik Nordzypern, akzeptiert worden war. In dem Statement, dass de Soto am Dienstag in der UN- Residenz nahe des alten Flughafens in der Pufferzone zwischen Nord- und Südzypern abgab, heißt es jetzt: "das Treffen zwischen Mr. Glafkos Klerides, Führer der griechischen Zyprioten, und Rauf Denktas, Führer der türkischen Zyprioten", eine Formulierung, die bereits erkennen ließ, dass diesmal keine der beiden Seiten die Gespräche schon an den Formalitäten scheitern lassen wollte. Darauf deutet auch der zweite Punkt hin. Ab 15. Jänner, wenn das nächste Treffen stattfinden soll, will man sich auf Zypern zu regelmäßigen direkten Gesprächen treffen, statt in New York einen Boten der UNO zwischen zwei Zimmern hin und her pendeln zu lassen, wie es jahrelang der Fall war. Diese Gespräche sollen solange fortgeführt werden, bis es eine gemeinsame Lösung in allen Punkten gibt. Es soll keine Vereinbarung zu einzelnen Streitfragen geben, solange nicht alle übrigen geklärt sind. Dahinter steckt die Befürchtung, dass die jeweils andere Seite die Gespräche abbrechen könnte, sobald sie einen Teilerfolg erzielt hat. Es mag für den 83-jährigen Klerides und den 77-jährigen Denktas, die beide schon in Genf nach dem Krieg 1974 mit am Tisch saßen, ein Motiv sein, noch zu ihren Lebzeiten zu einer friedlichen Regelung zu kommen. Wichtiger aber ist, dass jetzt auch alle anderen Parteien, die indirekt immer mit am Tisch sitzen, eine Lösung wollen. Das gilt sowohl für die USA, Großbritannien und die EU, die alle vermeiden wollen, einen weiteren Krisenherd im östlichen Mittelmeer zu haben, wenn der griechische Teil Zyperns allein in die EU aufgenommen wird. Ankaras EU-Ziele Das gilt aber auch für Griechenland und die Türkei. Beide wissen, dass Zypern ihr Verhältnis in einer Weise belastet, die dem realen Problem nicht entspricht. Für die Türkei kommt hinzu, dass ein alleiniger EU-Beitritt der griechischen Zyprioten die Chancen Ankaras, selbst irgendwann einmal Vollmitglied des europäischen Klubs zu werden, auf nahe Null bringen würde. Trotz markiger Sprüche des türkischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit, der jüngst mit der Annexion des Nordteils bei einem EU-Beitritt Zyperns drohte, steht Denktas daher so stark unter Druck wie nie zuvor, jetzt wirklich konstruktiv zu verhandeln. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 5.12.2001)