Europa
Zypern- Konflikt vor dem Durchbruch
Erstes Treffen Klerides-Denktas seit vier Jahren - Positive Reaktion Ankaras vor Powell-Besuch
Der zypriotische Präsident
Glafkos Klerides nahm am
Dienstag eine Einladung von
Rauf Denktas, dem Präsidenten der international nicht anerkannten "Türkischen Republik Nordzypern", zu einem
gemeinsamen Essen an. Das
Essen findet zu Ehren des
UNO-Sonderbeauftragten Alvaro de Soto statt.
Auf den ersten Blick ist die
Erklärung, die de Soto am
Dienstag nach dem nur einstündigen Treffen zwischen
Klerides und Denktas in der
UN-Pufferzone auf Zypern
verlas, nicht besonders spektakulär. Kurz und knapp heißt
es da, beide hätten sich geeinigt, Mitte Jänner ihre Gespräche unter der Schirmherrschaft der UNO in Zypern
fortzusetzen. Die Gespräche
sollen ohne Vorbedingungen
geführt werden.
Problem Anrede
Was sich so einfach anhört,
birgt in Wahrheit jede Menge
Fallgruben, in denen die Zypern-Gespräche in der Vergangenheit regelmäßig landeten. Das beginnt bereits bei der
Anrede. Vor einem Jahr verließ Denktas in New York den
Verhandlungstisch, weil er
nicht als gleichberechtigter
Partner, sprich Präsident der
Republik Nordzypern, akzeptiert worden war.
In dem Statement, dass de
Soto am Dienstag in der UN-
Residenz nahe des alten Flughafens in der Pufferzone zwischen Nord- und Südzypern
abgab, heißt es jetzt: "das Treffen zwischen Mr. Glafkos Klerides, Führer der griechischen
Zyprioten, und Rauf Denktas,
Führer der türkischen Zyprioten", eine Formulierung, die
bereits erkennen ließ, dass
diesmal keine der beiden Seiten die Gespräche schon an
den Formalitäten scheitern
lassen wollte.
Darauf deutet auch der
zweite Punkt hin. Ab 15. Jänner, wenn das nächste Treffen
stattfinden soll, will man sich
auf Zypern zu regelmäßigen
direkten Gesprächen treffen,
statt in New York einen Boten
der UNO zwischen zwei
Zimmern hin und her pendeln
zu lassen, wie es jahrelang der
Fall war.
Diese Gespräche sollen solange fortgeführt werden, bis
es eine gemeinsame Lösung in
allen Punkten gibt. Es soll keine Vereinbarung zu einzelnen
Streitfragen geben, solange
nicht alle übrigen geklärt sind.
Dahinter steckt die Befürchtung, dass die jeweils andere
Seite die Gespräche abbrechen könnte, sobald sie einen
Teilerfolg erzielt hat.
Es mag für den 83-jährigen
Klerides und den 77-jährigen
Denktas, die beide schon in
Genf nach dem Krieg 1974 mit
am Tisch saßen, ein Motiv
sein, noch zu ihren Lebzeiten
zu einer friedlichen Regelung
zu kommen. Wichtiger aber
ist, dass jetzt auch alle anderen Parteien, die indirekt immer mit am Tisch sitzen, eine
Lösung wollen. Das gilt sowohl für die USA, Großbritannien und die EU, die alle
vermeiden wollen, einen weiteren Krisenherd im östlichen
Mittelmeer zu haben, wenn
der griechische Teil Zyperns
allein in die EU aufgenommen
wird.
Ankaras EU-Ziele
Das gilt aber auch für Griechenland und die Türkei. Beide wissen, dass Zypern ihr
Verhältnis in einer Weise belastet, die dem realen Problem
nicht entspricht. Für die Türkei kommt hinzu, dass ein alleiniger EU-Beitritt der griechischen Zyprioten die Chancen Ankaras, selbst irgendwann einmal Vollmitglied des
europäischen Klubs zu werden, auf nahe Null bringen
würde. Trotz markiger Sprüche des türkischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit, der
jüngst mit der Annexion des
Nordteils bei einem EU-Beitritt Zyperns drohte, steht
Denktas daher so stark unter
Druck wie nie zuvor, jetzt
wirklich konstruktiv zu verhandeln. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 5.12.2001)