Im Louvre fand anlässlich der Schau "Malerei als Verbrechen" ein französisch-österreichischer Gedankenaustausch zum Alltagsfaschismus und zum Widerstandspotenzial der Kunst statt. Otto Mühl höchstselbst trat in Paris als Gaststar auf, um vorprogrammiertes Lob zu ernten. Paris - Unter dem Titel Malerei als Verbrechen oder der verwünschte Teil der Modernität , der Zitate von Rudolf Schwarzkogler und Georges Bataille miteinander verbindet, präsentiert der Louvre eine Reihe von Werken, die von Goya, Blake und Füssli über Redon zum Wiener Aktionismus führen. Die Schau ist als Reise in die Abgründe aufklärerischer Rationalität angelegt, von der immer wieder erinnert wird, dass sie in Auschwitz endet. Das Unternehmen beruft sich auf eine französische Tradition der Kulturkritik, die von Antonin Artaud ausgeht und vom Eros-Theoretiker Georges Bataille sowie den Philosophen Michel Foucault und Gilles Deleuze weitergeführt wird. Grob gesehen haben sie alle einen gemeinsamen Nenner - die Körperlichkeit, die Sexualität, die Dynamik des Wunsches -, zeigen auf, dass die in Sprach- und Denkmustern begrifflich strukturierte Wirklichkeit solchen Größen nicht gewachsen ist, zu deren Normierung bzw. Unterdrückung führt. Insofern ist die Ausstellung auch politisch. Sie stellt die Frage nach dem Resistenzpotenzial einer Kunst, die tradierte Schönheitskanons sprengt und somit gegen das Repressive in der Kultur antritt. Zwei "Tage kritischer Aktion" ergänzten das Unternehmen, deren erster unter dem Titel Über den Alltagsfaschismus diese Problematik am Beispiel Österreichs zu erläutern versuchte. Die Akteure waren: Matthias Herrmann, Wiener Secession; Loránd Hegyi, Stiftung Ludwig; Cathrin Pichler, freie Kuratorin; der Deleuze-Schüler Eric Alliez. Als "Gaststar" erschien Otto Mühl. Das Programm koppelte eine kritische Bestandsaufnahme der Lage in Österreich nach anderthalb Jahren schwarz-blauer Politik mit einem Rückblick auf den Aktionismus Mühlscher Prägung. Exponat und Exponent des kompromisslosen Widerstands gegen einen als faschistoid gekennzeichneten Staatsapparat ist aber der Aktionismus und insbesondere Otto Mühl. Wie erklärt sich ein solcher Brückenschlag? Zum einen wird dem verschwiegenen Österreich der Fünfziger-und Sechzigerjahre, der Kulisse für die Entwicklung des Aktionismus also, eine Art verhängnisvolle Vorreiterrolle zuerkannt: Verdrängung als Nährboden für den alltäglichen Faschismus; Ausschaltung der politischen Gegensätze durch eine Kultur des Konsenses, die die Demokratie aushöhlt (Alliez); Fortwirken der Opferlüge in der auf politischer Ebene verbreiteten Pose des zu Unrecht Bezichtigten, und insbesondere in der Technik Jörg Haiders, Provokationen durch nachträgliche, d. h. eigentlich vorprogrammierte Entschuldigungen zu entschärfen (Franz Schuh). Das Fazit mag für manche ärgerlich klingen, hat sich jedoch in der österreichischen Geschichtsschreibung und Politikwissenschaft schon länger etabliert. Aufhebung der Malerei Der kulturkritische Hintergrund der Schau erklärt auch die Faszination für jene Experimente, die auf dem Urpotenzial der Sinneserfahrung beruhen, dabei auf die gesellschaftliche Ordnung prallen. Genau das bietet Mühls Aufhebung der Malerei in einer körperbezogenen Aktion. Problematisch wird dabei, dass die Fortsetzung des Experiments in der Praxis der Kommune nie auf ihr Scheitern hin befragt wird. Zwar wird Mühls Verurteilung wegen Verführung von Minderjährigen erwähnt, und er selbst räumt Fehler ein. Aber die Frage nach einem möglichen theoretischen Rückschluss aus dieser späten Erkenntnis wird nie gestellt. Das schmerzhaft Konkrete in Mühls Experiment bleibt paradoxerweise ausgeblendet. Im Louvre scheint vielmehr ein allgemeines Einverständnis zu herrschen über den Wert des Mühlschen Versuchs als Gegenmodell und Herausforderung an einen repressiv gedachten Staat. Mühl verabschiedete sich mit dem Ratschlag, Kinder nie einer Schule anzuvertrauen. Für seine als beispielhaft angesehene Fähigkeit zum Widerstand wurde ihm wärmstens gratuliert: "Otto, du gehörst zu denen, die nicht weichen!" lobte der Situationist Jean-Jacques Lebel final. Man war also unter Freunden. Jedoch wirkt sich nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch in künstlerischen Angelegenheiten der Konsens fragwürdig aus. Bis 14. 1. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5. 12. 2001)