Heimrad Bäckers "nachschrift" am Mittwoch im Kasino
Wien - Die Sprache als Spiegel und Motor der Inhumanität - kein Autor hat sie genauer erforscht als Heimrad Bäcker. Seine nachschrift
der Sprache des Nationalsozialismus macht die allmähliche Barbarisierung kenntlich, von "Gaseinströmgerät" über "Vernichtungsvorgang" bis zu "Ausrottungserleichterung".
Noch mehr vollzieht Bäcker nach, wie die Sätze das Bewusstsein vergifteten. Bis sich bürokratisch vermerken ließ: "Es ist zur Zeit kaum möglich, die Liquidierungsziffer auf der bisherigen Höhe zu halten." Bis der Mord selbst die Entschuldigung war: "Mir oblag lediglich die Durchführung der Tötung." Bis das Verbrechen keine Grenze mehr wahrnahm: Bei einem fälschlich vorgenommenen Eintrag in das Totenbuch "kann ein solcher Irrtum später einfach durch die Tötung korrigiert werden". Alles original NS-Diktion.
Acht Schauspieler teilen sich im Kasino am Schwarzenbergplatz den Vortrag aus der mit epitaph
betitelten Bühnenfassung der nachschrift.
Unheilvolle Assoziationen erwecken die Leitungsrohre der Heizung. Ein Abend, aufwandloser als gewohnt, aber auch eindrücklicher als üblich. Dringendst zu empfehlen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5. 12. 2001)
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