Brüssel/Bonn/Stockholm/Wien - Die EU soll "verbrauchende" Embryonenforschung finanzieren: Geht es nach Forschungskommissar Philippe Busquin, soll das 6. Rahmenprogramm (2002-2006) unter "Life Sciences" auch solche Stammzellprojekte fördern. Dies sagte Busquin am Montag in Bonn. Damit müsste Österreich, wo die Zerstörung von Embryonen zu Forschungszwecken verboten ist, unter dem Titel Medizinforschung mit seinem 2,5-Prozent-Beitrag (voraussichtlich rund 88 Millionen Schilling/6,4 Mio. Euro) auch für Embryoexperimente in Ländern mit anderer Gesetzeslage zahlen. Keine Unterstützung soll dagegen für das Klonen zu Therapiezwecken fließen. Genau dieses forderte aber laut Reuters am Dienstag der schwedische Forscherrat, der mit dem Erstellen ethischer Richtlinien beauftragt ist. Die "moralischen Risken", so die Argumentation, seien "kleiner als mögliche medizinische Fortschritte". Weitere Einschränkung im Plan der EU-Kommission: keine Förderung für das Züchten von Embryonen zu Forschungszwecken. Damit beschränken sich die geplanten Förderungen auf Projekte, bei denen Stammzellen bereits vorhandener, tiefgekühlter Embryonen genutzt werden. Das geht weiter als die US-Regelung, die nur Forschung an bestehenden Zelllinien fördert; diese können unbegrenzt vermehrt werden. Ob das EU-Rahmenprogramm, das nach den Wünschen der Kommission auf 17,5 Milliarden Euro (241 Mrd. S) aufgestockt werden soll, Busquins Vorstellungen entsprechen wird, ist offen. Denn am 10. Dezember beraten die Forschungsminister darüber. Die endgültige Entscheidung fällt im Kodecisionsverfahren zwischen EU-Parlament und Rat, das sich über ein halbes Jahr hinziehen kann. Dabei sind Nachjustierungen möglich. Kritik aus Österreich Um diese wird unterdessen heftig gerungen. Im EU-Parlament kam es in den letzten Wochen zu widersprüchlichen Voten zu Gentechnik und Biomedizin, seit der so genannte Caudron-Bericht Ja zur Forschung mit "überzähligen" Embryonen, aber Nein zum Klonen gesagt hatte. Scharfe Kritik übte Egon Kapellari, in der Bischofskonferenz für Europafragen zuständig, am Europäischen Parlament. "Verbrauchende Embryonenforschung" werde mit dem Hinweis auf das Wohl bereits geborener Menschen gerechtfertigt, was voraussetze, dass den Nichtgeborenen der Subjektstatus aberkannt wird. Ähnlich besorgt äußerte sich Günter Virt, Moraltheologe der Uni Wien und Mitglied der Ethikkommission. Sollte der Beschluss des Europa-Parlaments umgesetzt werden, fordert Virt eine lückenlose Dokumentation aller geförderten Embryoversuche, Missbildungen inklusive. Leider hätten auch österreichische Parlamentarier zugestimmt, kritisierte Kapellari, der nun auf Forschungsministerin Elisabeth Gehrer hofft. Beim EU-Ministerrat könnten sie und ihre Kollegen "den Beschluss des Europäischen Parlaments noch zu Fall bringen", so Kapellari laut Kathpress. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.12.2001)