Nahost
Internationale Zeitungen zur Nahost-Eskalation
London/Paris/Rom (APA/dpa/AFP) - Die Eskalation der Gewalt
im Nahen Osten und das massive israelische Vorgehen gegen die
Palästinenserführung werden am Mittwoch von zahlreichen europäischen
Blättern kommentiert."Financial Times" (London):
"Im israelisch-arabischen Konflikt haben die Extremisten erneut
die Oberhand bekommen. Der Kreislauf von Terror und blutiger
Vergeltung ist von einem neuen Grad der Brutalität gekennzeichnet.
Der Frieden kann nicht erreicht werden, wenn dieser Zyklus nicht
durchbrochen wird. Die USA haben das Recht Israels auf
Selbstverteidigung anerkannt. Aber Washington darf nicht aufhören,
auf Zurückhaltung zu dringen. Es gehören zwei Seiten dazu, an einem
Tisch über den Frieden zu verhandeln. Wenn die Politiker die
Handlungsfähigkeit nicht zurückgewinnen, wird es einen unaufhaltbaren
Zyklus der Gewalt geben."
"Liberation" (Paris):
"Die Taktik Ariel Sharons ist bekannt: Seit drei Monaten hämmert
er die Formel: 'Arafat = Bin Laden', um jeden politischen Dialog
zwischen Israelis und Palästinensern bis in weite Ferne
hinauszuschieben. Auch wenn Arafat eine mehr als zwiespältige
Position gegenüber dem Terrorismus einnimmt, erlaubt dies
keinesfalls, die Frage eines palästinensischen Staates mit
dem mörderischen Fanatismus der islamistischen Internationale
gleichzusetzen. Die Palästinenser brauchen einen Staat. Ihnen
diesen zu verweigern und ihnen weiterhin die Verwaltung einiger
lebensunfähiger Enklaven zuzumuten, kann nur die Verbreitung des
Sendungsbewusstseins von Kamikaze-Killern und Selbstmördern fördern,
besonders, wenn man sich gleichzeitig hinter einer Politik der Stärke
und der Unterdrückung versteckt."
"La Repubblica" (Rom):
"Sowohl die israelischen als auch die palästinensischen
Führungsklassen haben ihren Völkern nie die Wahrheit gesagt. Sie
haben vielmehr blind den Weg der Demagogie gewählt, ohne jemals den
Boden für die unausweichlichen Verzichte vorzubereiten, die ein
Frieden auf beiden notwendig gemacht hätte. Arafat und die
israelischen Regierungen haben ihren Leuten versprochen - und nicht
in einer einzelnen Phase, sondern Jahrzehnte lang - dass sie 'alles'
erreichen würden. Dieser Mangel an Weitsicht und die Lügen,
Tricks und Doppelspiele, die daraus entstanden sind, haben
dazu beigetragen, diesen Konflikt zu verschlimmern."
"Basler Zeitung":
"Inzwischen herrscht in den palästinensischen Gebieten ein solch
hoher Grad an Resignation, dass kein George Bush, kein Tony Blair
und kein anderer Vermittler irgendeine Chance hat, auch nur einen Tag
Waffenruhe auszuhandeln - es sei denn, sie forderten Israel offen zum
Rückzug aus den Palästinensergebieten auf. Es gibt viele politisch
rational denkende, moderate Palästinenser, die noch vor ein paar
Jahren mit Israelis kooperiert und nach Frieden gesucht haben. Heute
sagen sie, dass die israelische Okkupation unerträglich geworden sei
- und dass sie jederzeit bereit seien, ihr Leben für den Kampf gegen
Israel zu lassen. Diese Äußerungen machen klar, dass - mit oder ohne
Arafat - Israel kaum in der Lage sein wird, den zivilen wie den
bewaffneten palästinensischen Widerstand zu brechen." (APA)