Wien - Der deutsche Reifenkonzern Continental, Mutterkonzern der Semperit Reifen GmbH, will in Österreich nur mehr mit einer Vertriebsmannschaft präsent bleiben. Die Reifenproduktion im niederösterreichischen Traiskirchen wird Mitte 2002 aufgelassen, die Herstellung von Reifen-Vorprodukten ein Jahr später eingestellt. Etwa 1300 "Semperitler" müssen sich um einen neuen Job umsehen. Überkapazitäten "Der Ausstieg ist beschlossene Sache", sagte der im Conti-Vorstand für das internationale Geschäft zuständige Hans-Joachim Nikolin in einer Pressekonferenz am Donnerstag. Die Entscheidung sei "nicht gegen Österreich gerichtet", sondern im Zusammenhang mit dem massiven Nachfragerückgang nach Lkw- und Pkw-Reifen infolge der Konjunkturabschwächung zu sehen. Auch in anderen Ländern, darunter in Deutschland, werde man Werke schließen. "Wir müssen Überkapazitäten aus dem Markt nehmen", sagte Nikolin. Am strategischen Ziel, rund 50 Prozent der Reifen in Niedriglohnländern zu produzieren, halte man fest. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sei von der Entscheidung schriftlich informiert worden. Der Werksschließung muss formal noch der Conti-Aufsichtsrat zustimmen, der voraussichtlich am 19. Dezember zusammentritt. Heftige Proteste gegen die beabsichtigte Schließung gab es aus Kreisen der Gewerkschaft und der SPÖ, die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Reifenproduktion in Traiskirchen verlangten. ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch verlangte "einen Krisengipfel mit dem Bundeskanzler." In Traiskirchen werden heuer noch rund 1,7 Mio. Pkw- und 126.000 Lkw-Reifen vom Band laufen. Von der Werksschließung sind 957 der derzeit rund 1450 Mitarbeiter betroffen - 422 im Bereich Pkw-Reifen, 535 Mitarbeiter im Lkw-Reifensegment. Die Produktion von Rohgummimischungen sowie Stahl- und Textilgewebeeinlagen mit derzeit 300 Beschäftigten soll in Traiskirchen vorerst weiterlaufen. 2003, wenn im tschechischen Otrokovice ein neuer Mischsaal zur Verfügung steht, soll diese Produktion dorthin verlagert werden. Auf eine längerfristige Beschäftigung können nur die rund 100 Personen rechnen, die mit dem Vertrieb der Conti-Produkte in Österreich betraut sind.
Investorensuche
Traiskirchens Bürgermeister Fritz Knotzer (SP) und Semperit-Betriebsratsobmann Alfred Artmäuer wollen alle Hebel in Bewegung setzen, um Bund, Länder und Privatinvestoren für eine mehrheitliche Übernahme der Semperit Reifen GmbH zu gewinnen. "Der Bezirk Baden hat jetzt schon die höchste Arbeitslosigkeit in Niederösterreich, mit der Werksschließung droht uns die höchste Arbeitslosigkeit Österreichs", sagte Knotzer. Neben den "Semperitlern" seien durch die Werksschließung auch rund 300 Zulieferunternehmen betroffen. "Die meisten machen rund die Hälfte ihres Geschäfts mit uns", sagte der Semperit-Betriebsratschef. "Ein endgültiges Aus für Semperit wäre katastrophal." Artmäuer wies außerdem darauf hin, dass Conti das Semperit-Werk 1985 für 440 Mio. S von der Creditanstalt übernommen hat. Im Laufe der vergangenen 16 Jahre habe der Konzern rund sechs Mrd. S (436 Mio. EURO) aus dem Werk gezogen. In dem Betrag seien operative Gewinne ebenso enthalten wie Erlöse aus dem Verkauf ausländischer Semperit-Tochterfirmen und Steuergelder. (stro, Der Standard, Printausgabe, 07.12.01)