Wien - Über den Mordfall Schriefl wird auch nach dem ersten Prozesstag viel geredet. Am Dienstag lernten Geschworene Herbert P. kennen, jenen 33-jährigen Wiener, der vor 13 Jahren (zumindest) einen aus der medial zeitlos präsenten Serie der Favoritner Sexualmorde begangen haben könnte. Alexandra, eine 20-jährige Verkäuferin, wurde nach einem Discobesuch ins Gebüsch gezerrt, vergewaltigt, erdrosselt und nackt an einen Baum gebunden. Oder: Alexandra war bereit gewesen, mit Herbert um zwei Uhr früh bei null Grad Celsius in der Wiese einen "Quicky" durchzuführen; kaum war Herbert fort, muss das Mädchen einem (noch nicht ausgeforschten) Sexualmörder in die Hände gefallen sein. - Zu dieser Version hat sich der Angeklagte am ersten Prozesstag durchgerungen. Die DNA-Analyse zwang ihn dazu. Denn Herbert muss knapp vor Alexandras Tod Sex mit ihr gehabt haben. Der Staatsanwalt hält für "unmöglich", dass "so ein sauberes Mädchen" einwilligt, mit einem verwahrlosten Jugendkriminellen, den sie wahrscheinlich nur vom Sehen gekannt hatte, eine "schnelle Nummer" im Freien abzuziehen. Alexandras Freundinnen gaben im Zeugenstand an: "Sie hat überhaupt nicht schnell was ang'fangen mit anderen Burschen." Unerwähnt blieb bisher der Mord an Christine Beranek (10). Die Schülerin war drei Monate später am Laaerberg vergewaltigt und mit ihrer Strumpfhose erdrosselt worden. Die Tatortanalyse überzeugte die Kriminalisten, dass Alexandras Mörder wohl auch Christine mumgebracht hat. Da keine biologischen Spuren mehr vorhanden sind, wird man Herbert P. für den zweiten Mord nicht zur Verantwortung ziehen können. Der Schriefl-Prozess geht am Dienstag mit Zeugeneinvernahmen und Gutachten weiter. Bei einem Schuldspruch kann Herbert P. höchstens zu 16 Jahren Haft verurteilt werden. Mörder, die bei der Tat nicht älter als 21 Jahre sind, erwarten als Höchststrafe 20 Jahre. Davon wird jene Zeit abgezogen, die die Verurteilten schon in Haft verbracht hatten - im Fall Herbert mehr als vier Jahre. "Zur Vermeidung weiterer Opfer" will der Staatsanwalt deshalb eine Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragen. (DER STANDARD, Print, 6.12.2001)