Berlin - Die Bundestags-Fraktion der deutschen Grünen unter Leitung von Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer lud am Mittwoch zu einer Anhörung zur Situation der deutschen Theaterlandschaft - und spezifischer der des Berliner Ensembles. Titel des Hearings war "Wozu das ganze Theater?", Resultat war eine Reihe von markigen Aussagen. Die großen Altmeister des Regietheaters in Deutschland leiden nach Ansicht von Christoph Schlingensief unter "extremem Zahnausfall". Dagegen helfe auch kein "Sturm auf das Berliner Ensemble" oder eine Sitzblockade vor dem von Claus Peymann geleiteten Theater. "Es ist ganz richtig, dass Peymann zusammenbricht und sich selbst beschmutzt, jeder hat das recht, sich selbst zu vernichten", sagte Schlingensief, der am 19. Dezember seine nächste Inszenierung "Rosebud" an der Berliner Volksbühne herausbringt. Das Theater sei heute "keine moralische, sondern eine verlogene Anstalt, die Politiker haben uns den Schneid abgekauft". Mit den Worten "Meine Lust an dieser Stadtsinkt von Tag zu Tag" hat Peymann daraufhin mit seinem Weggang aus der Hauptstadt gedroht: "Viele haben einfach keine Lust mehr, hier noch ein Theater zu leiten, und ich werde auch bald dazu gehören, darauf können Sie Gift nehmen". Peymann sprach von einer "blöden Politik" und einem "Banausenclub" in der Stadt. Zuvor hatte er die Theaterkritik in Berlin beschuldigt,"unserem gemeinsamen Feind in die Hände zu arbeiten, diesen kleinbürgerlichen Politikern". So würden erneut "Theater schussreif geschrieben, wie jetzt die Schaubühne, wie früher das Schiller-Theater". Er baue da keine Feindbilder auf: "Ich weiß doch, was die Glocke geschlagen hat. Wir befinden uns alle in einem freien Fall. Sasha Waltz weiß nicht mehr, ob sie an der Schaubühne bleiben kann". Er selbst müsse die Verhandlungen mit einem bedeutenden Regisseur abbrechen, weil er nicht sicher sei, ihn noch bezahlen zu können. Vollmer stellte die Frage, ob es einen "neuen Geniekult" am Theater gebe und forderte die Regisseure und Intendanten auf, sich ein neues Publikum zu erspielen. Nach Ansicht von Stephan Märki vom Deutschen Nationaltheater Weimar wird das deutsche Theater im Ausland als "gebrochen, zynisch und distanziert" angesehen. Theater-Verlegerin Ute Nyssen meinte, die "Verballhornung" vieler Klassiker habe einen großen Anteil am Publikumsschwund und dem "zynischen Desinteresse vieler Intellektueller" am Theater der Gegenwart. (APA/dpa)