Ob es die Liebe zur schönen Prinzessin von BoraBora war, die Oro, den Gott des Friedens, dazu veranlasste, mit der Perlenauster als Geschenk in Händen auf die Erde herabzusteigen, oder ob es die allgemeine Sympathie des Göttlichen für die freundlichen Polynesier war, die ihn dazu bewegte, kann mythologisch heute nicht mehr genau festgemacht werden. Jedenfalls schritt der Südseegott irgendwann einmal über einen schillernden Regenbogen zu den Menschen herab und überreichte ihnen eine besonders große und seltsam dunkel gefärbte Perlenauster. Entsprechend dieser Regenbogen-Luft-Wasser-Erscheinung sehen die Perlen, die seine Austern hervorbringen, auch aus. Vor allem dieser Regenbogenschimmer in Miniaturformat auf der Oberfläche der Perlen ist sagenhaft, mitunter ist der Regenbogenlüster im dunklen Perlmutt so ausgeprägt, dass es fast schon kitschig wirkt. Die schwarzen Perlen der Südsee, genauer Französisch-Polynesiens, sind außergewöhnliche, seltene und in vieler Hinsicht unglaubliche Meeresprodukte, die sich zunehmender Beliebtheit bei denjenigen erfreuen, die sich die kleinen Kostbarkeiten leisten können. Die schwarzen Perlen kosten meist ein Vielfaches der weißen, einen genauen Vergleichsschlüssel hier wiederzugeben macht keinen Sinn, weil der Preis einer Perle von den verschiedensten Faktoren abhängt. Wichtig sind beispielsweise der Lüster, das ist, vereinfacht ausgedrückt, das schimmernde Oberflächenlichtspiel auf der mikroskopisch betrachtet rauen Perlenoberfläche. Weitere entscheidende Preisfaktoren sind Form, Farbe und Größe, also Durchmesser. Alle diese Faktoren werden von der schwarzen Südseeperle gewissermaßen übersteigert präsentiert: Der außerordentliche Regenbogenlüster wurde bereits erwähnt, die seltsame dunkle Färbung, die von grau, grün, blau bis tatsächlich fast schwarz spielen kann, ist ebenfalls außergewöhnlich. Dazu kommt die enorme Größe der Prachtstücke, sie können einen Durchmesser von fast zwei Zentimetern erreichen. Und was die Form anbelangt, so spielt die dunkle Schönheit alle Nuancen durch, die denkbar sind. Häufig sind etwa Tropfenformen und die, quasi vom Verdauungsprozess der Auster gedrechselten unregelmäßigen Barockperlen. Ganz glatte, ebenmäßig runde Perlen sind eher selten und deshalb natürlich besonders gefragt und besonders teuer. Die Nachfrage nach den so genannten Tahitiperlen ist überhaupt sehr groß, und sie ist steigend. Die wenigen Perlenfarmen, auf denen die kleinen Kostbarkeiten seit den 60er-Jahren produziert werden, können sie jedenfalls nicht erfüllen, was auch damit zusammenhängt, dass ihre Produzentin, die riesige schwarzlippige Perlenauster Pinctada margaritifera , eine ausgesprochen kapriziöse Muschel ist, die sich erstens nur sehr schwer züchten lässt, und die zweitens nur unwillig dem vom Menschen erteilten Auftrag der Perlenproduktion nachgeht. Der erfolgt, indem Perlenoperateure zu Lande dem Mollusk Kügelchen, meist aus dem dickwandigen Gehäuse einer amerikanischen Schneckenart gedrechselt, sowie ein Stückchen perlmuttproduktionsanregendes Mantelmaterial implantieren und sodann die Austern wieder zu Wasser lassen. Es dauert einige Jahre, im Schnitt etwa vier, bis die aufgebaute Perlmuttschicht dick genug ist und die Perle gewonnen werden kann. Bei großen Perlen wie den Südseeexemplaren sollte der Aufbau mindestens einen Millimeter betragen. Nur jede dritte Auster ist zu dieser Prozedur überhaupt bereit und geeignet, von hundert Austern werden, mit Glück, nur ein, zwei wirklich gute Perlen geerntet. Die Muschel kommt dabei übrigens nicht zu Schaden, sondern wird gleich wieder, mit Kügelchen befüllt, für die nächsten paar Jahre in Neptuns Reich hinabgelassen. Perlen sind übrigens heuer das modische Accessoire Nummer eins, und Schwarz ist die Trendfarbe der Saison. Schwarze Perlen stellen somit das kombinatorische Nonplusultra dar. Ihre Investition geht freilich weit über ein, zwei Saisonen hinaus. Schwarze Perlen sind eine vorzügliche Wertanlage, so sie qualitativ tadellos sind und sorgfältig gepflegt werden. Doch Achtung, es sind auch gefärbte Perlen auf dem Markt, die natürlich vergleichsweise wertlos sind. Den Zusammenhang zwischen Perlenglanz und der Unscheinbarkeit der Auster darzustellen, formuliert Perlenexperte Hans Schoeffel als Motivation für den Prachtband "Perlen. Von den Mythen zur modernen Perlenzucht" (DuMont Verlag). Ein geschichtlicher Abriss des Perlengeschäfts, Fakten über Zucht und das moderne Business werden ergänzt durch fantastische Reportage-Fotos von David Doubilet. Als Geschenk fast so wertvoll wie eine Perlenschnur. Abbildungen aus: Perlen (DuMont Verlag) und Cartier derStandard/rondo/7/12/01