Na, eigentlich kein Wunder: Wenn der Reichtum der immer wenigeren Reichen wieder protzig klotzen darf, prunkvolle Pelzroben einstige politische Korrektheit in dieser Sache vergessen lassen und biedere Nachkriegsmatrönchen `a la Prada deren "neuen Minimalismus" spotten, dann ist es auch wieder Zeit für eine so genannte Wiedergeburt.Das Bettelarmband wurde geklont und findet jetzt immer mehr Luxus-Leihmütter, die es austragen. Die Eizelle spenden Bulgari, Cartier und zuletzt mit viel Tamtam und PR-Aufwand auch Schmuck-Novize Louis Vuitton, dessen Chefdesigner Marc Jacobs vor einiger Zeit eine wahrhaft revolutionäre Idee kam . . . Eine Wiedergeburt eines schmucken Dinges also, das einst die Aura von Sentimentalität und Geschichte umgab und das sogar schon viktorianischen Mädchen und Damen Freuden spendete. Das Charm Bracelet, so der charmante englische Name, erzählte quasi die Geschichte der jeweiligen Frau. Anhänger und Glücksbringer, die vom Taufpaten, vom Verehrer, vom Ehewerber zu jeweiligen Anlässen geschenkt wurden und so Erinnerungen am Handgelenk visualisierten. Das Buch "Accessories" fasst es so zusammen: "Neben dem Hochzeitsketterl dürfte es der absolut sentimentalste Schmuck auf Erden sein. Eine Kollektion an im Laufe der Zeit zusammengetragenen Souvenirs. Es baumeln sichtbar Mädchenträume, Riten, Abenteuer, verändernde Reisen und wahre Liebe". In den 60er- und 70er-Jahren ließ es die Frauenschaft klimpern, was das Zeug hielt. In Konzerten seien diese selbstproduzierten Geräusche nicht ratsam, heißt es. Und besonders hip war das Charm Bracelet mit dem britischen Ursprung bei den Hollywood-Stars der 50er-Jahre. Joan Crawford wusste - in Kombination mit Puderquastenpantoletten etwa - zu jedem Stück sicher ein nettes Histörchen zu berichten. Wenn heute die blasse Mimin Gwyneth Paltrow ihr mattgoldenes Cartier-Ketterl klimpern lässt, dann nimmt man es ihr nicht so wirklich ab. Gut, eine goldene Träne vielleicht. Und jetzt hat Marc Jacobs quasi das Rad neu erfunden, "he puts a new spin on it", wie es im Werbejargon heißt, und lässt Kate Moss am Werbefoto mit knappen LV-Bikini dem Pool entsteigen. Und zwar in Ibiza, wie es der Werbetrailer von "The Making of the Charm Bracelet Ad Campaign" mitteilt. Schließlich legte unter anderem die aus Kunst und Kommerz schwer bekannte Starfotografin Inez van Lamsweerde dabei Hand an. Am zarten Handgelenk der Kate baumelt ES - eine goldene Ausgeburt einer Frau, die fordernd blickt, obwohl sie jetzt wirklich alles hat: das LV-Charm Bracelet. Natürlich versehen mit den Insignien der modernen Frau, die zeigt, worauf sie Wert legt, wo die große weite Welt, die sie umfängt, zum Louis-Vuitton-Minimundus gerinnt: vier unterschiedliche Mini-Louis-Vuitton-Taschen, Mini-Champagnerflaschen (Vorsicht, Kate!), auf denen zur Sicherheit auch LV drauf steht. Dazu noch eine globale Position in Form der Weltkugel, in der sich der lokale Geschmack, der quintessentielle französische natürlich, der sich schon auf der Weltkugel mit einem Diamanten an der Stelle von Paris materialisiert, in Form des Eiffelturms manifestiert. Das Punk-Vorhängeschloss in 18-Karat-Gold, zu verschließen mit zwei LV-Schlüsseln, wird sicherheitshalber mit "Louis Vuitton" markiert. Eigentlich will uns Louise Vuitton damit sagen, dass sie immer mit LV verheiratet sein wird. Immerhin ein sehr ehrliches Ketterl, welches unkäufliche Glaube-Liebe-Hoffnungs-Prinzipien durchwegs durch käufliche Markenartikel ersetzt. Essenzen, die zu einem reichen, sorgenfreien Jet-Set-Life gehören. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die Klientel auf wenige beschränkt. Keine Angst, dafür garantieren auch die Preise, die wahrlich kein Bettel sind. Von 25.000 Dollar (rund 28.152 Euro) ist die Rede. Wahrscheinlich wird ja auch bald schon H&M & Co besonders anhänglich . . .

Und was ist dieser "new spin" des Marc Jacobs? Hören wir die Worte der heutigen PR-Lösung: "Rund um die Welt mit dem Charm Bracelet": "Sein upgedatetes Armband ist eine Kette, auf der bis zu neun Miniaturjuwelen angehängt werden können, einzeln gewählt oder je nach Laune, wenn die Notwendigkeit unwiderstehlich ist". Natürlich ist es auch ein Symbol, fürs Reisen nämlich: "Flugzeuge, die abheben, prickelnder Champagner, legendäre Autos, die an den Gates warten und natürlich . . . Tonnen von Gepäck!" Nomadinnen und Kosmopolitinnen aller Länder werden sich hier treffsicher charakterisiert und wiedererkannt wissen.

Bulgari setzt da auf abstraktere Symbole, verabsäumt es aber auch nicht, an jeder nicht brillantbesetzten Stelle den Firmennamen zu platzieren. Anhänger sind bei den Prunk-Brands einzeln zu haben, jedoch braucht die Frau von Welt eigentlich fast alle, und zwar flott. Jetzt! Damit verliert zwar das Charm Bracelet seinen Charme, verheddert sich trotzdem dankbar in sämtlichen Kleidungsstücken. Damit bringt es überdies auch keine Erlösung für geplagte Herren, die ansonsten über neun lange Jahre wüssten, was sie der Hauptfrau zu Weihnachten schenken sollen. Also, aufgepasst: Derzeit im guten Fachhandel und an ausgesuchten Marken-Werbeträgerinnen! derStandard/rondo/7/12/01