"Alles, was ich fotografiert habe, kam direkt aus dem Leben", so charakterisierte Ré Soupault ihre Arbeit. Die Künstlerin wäre heuer hundert Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass wurde der vergriffene Fotoband in neuer Ausstattung aufgelegt.

Der "Lehrmeisterin der Fotografie" (Le Monde) war es in den 30er Jahren gelungen, in einem für Fremde verbotenen Viertel in Tunis zu fotografieren. Sie erhielt dafür nach einigen Schwierigkeiten die Erlaubnis des Scheichs der Medina und wurde von einem Polizisten begleitet.

Verstoßene und verwaiste Frauen

Die "Reservierten Viertel" waren für jene Frauen vorgesehen, die in keiner Familie Zuflucht fanden. Soupault: Eine Frau allein hat keinen Platz in einer islamischen Gesellschaft, da bleibt ihr nur noch das "Quartier réservé". Es ist also kein Prostituierten-Viertel im engeren Sinne, obwohl diesen Frauen ohne Bildung, solange sie noch jung sind, die Prostitution als einzige Geldquelle bleibt. So waren es vor allem verstoßene oder verwaiste Frauen, die Ré Soupault fotografierte.

Flüchtige Momente

Die Bilder sprechen für sich. Es sind flüchtige Momente, die festgehalten werden: ein zaghaftes Lächeln oder ein schreiender Blick, der ein Ausgesetzt-Sein zur Schau trägt. Von der Gesellschaft verstoßene Frauen hinter Gittern oder an offenen Türen sind zu sehen mit Blick in eine verweigerte Welt. Über die Einzelschicksale der Frauen etwas zu erfahren, sei kaum möglich, so die "Fotografin der magischen Sekunde" (Die Zeit). Eine durchaus berührende und einzigartige Bild-Dokumentation, die zum Innehalten einlädt. (aus)