Köln - In Deutschland hat sich die Gewaltbereitschaft in
der rechtsextremistischen Szene nach Erkenntnissen des
Verfassungsschutzes seit Anfang der 90er Jahre mehr als verdoppelt.
1991 seien 4.200 gewaltbereite Rechtsextremisten registriert gewesen,
Ende 2000 bereits 9.700, heißt es in einer Studie, die das Bundesamt
für Verfassungsschutz am Freitag in Köln vorlegte. Mit 50 Prozent
seien Ostdeutsche überproportional häufig vertreten.
Nach einem Rückgang Mitte der 90er Jahre sei die Zahl
rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten seit 1998 wieder
gestiegen, und zwar auf 998 Delikte im vergangenen Jahr. Insgesamt
hätten die Straftaten aus der rechten Szene im Jahr 2000 mit 15.951
registrierten Delikten ihren bisher höchsten Stand erreicht,
berichtete der Verfassungsschutz weiter. Massive Steigerungen habe es
vor allem bei Straftaten mit antisemitischem (1.378) und
fremdenfeindlichem (3.597) Hintergrund gegeben.
Deutlich zu erkennen sei eine "organisatorische Zersplitterung im
nationalen Lager". So bildeten sich zunehmend informelle Strukturen,
in denen überwiegend junge Männer unter 30 aktiv seien, Landesweit
seien derzeit etwa 150 "Kameradschaften" bekannt, die regional
organisiert und untereinander vernetzt seien. Neonazi-Führer
rekrutierten verstärkt "junge Kämpfer" aus der Skinhead-Szene. Diese
stellten etwa 85 Prozent der gewaltbereiten Rechtsextremen. Sie
hätten ein "antibürgerlich-proletarisches,
gewalttätig-antiintellektuelles, fremdenfeindliches und
männerdominiertes Weltbild". Die Nationaldemokratische Partei
Deutschlands (NPD) nutze die Skinhead-Szene "als Nachwuchs- und
Mobilisierungsreservoir" zum Beispiel bei Demonstrationen.
Allerdings habe sich die "rechtsextremistische Aufbruchstimmung"
zu Beginn der 90er Jahre in den Wahlergebnissen des rechtsextremen
Parteienspektrums nicht als landesweiter Trend niedergeschlagen. Die
Deutsche Volksunion (DVU) und die Republikaner stritten um die
Führungsrolle, und die NPD sei in partei-interne Auseinandersetzungen
verstrickt, seit beim Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren
läuft. Im Februar will das Gericht darüber verhandeln.
Unter dem Schlagwort "Nationaler Widerstand" hat sich nach
Erkenntnissen der Verfassungsschützer seit 1997 eine
"organisationsübergreifende gemeinsame Front des völkisch-
revolutionären Rechtsextremismus" etabliert. Die Anhänger
kommunizierten vor allem via Internet: Die Zahl der Webseiten mit
rechtsextremem Inhalt sei von zwei im Jahr 1995 auf 1000 in diesem
Jahr gestiegen. Seit der Demonstration gegen die
Wehrmachtsausstellung 1997 in München sie die Zahl der Kundgebungen
und "Märsche" Rechtsextremer kontinuierlich gewachsen. Im vergangenen
Jahr habe es bereits 60 solcher Veranstaltungen gegeben.
Soziale Fragen und "kulturrevolutionäre Konzepte" bildeten
mittlerweile den inhaltlichen Schwerpunkt rechtsextremer Agitation,
hieß es. So richte sich die Propaganda einiger rechtsextremistischer
Gruppen auch persönlich gegen Journalisten und Behördenmitarbeiter. (APA/dpa)