Abhängigkeiten von nicht-stofflichen Mitteln nehmen in der Gesellschaft nach Erfahrung von Ärzten weiter zu. Nach der mittlerweile als Krankheit anerkannten Spielsucht seien Beratungsstellen zunehmend auch mit krankhaftem Gebrauch von Handys konfrontiert, sagte der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, Hellmut Koch, am Rande des 52. Fortbildungskongresses der Kammer in Nürnberg. Menschen verlieren die Kontrolle über das eigene Handeln Der Begriff Sucht gelte dann, wenn der Betroffene die Kontrolle über das eigene Handeln verliere und die Dosis ständig steigern müsse, erläuterte der wissenschaftliche Leiter des Kongresses. "Sucht besteht dann, wenn Leute von ihren Handys nicht mehr lassen können, geradezu zwanghaft mehr als 100 SMS-Kurznachrichten pro Tag verschicken - und hinterher mit immensen Telefonrechnungen konfrontiert sind, die sie nicht mehr zahlen können." Problem sind die finanziellen Folgen Den Betroffenen selbst sei die Grundschwierigkeit oft gar nicht klar. Zum Problem würden dann lediglich die finanziellen Folgen. Ähnliches gelte für den Handel mit Aktien, der den Menschen immer mehr vereinnahme und ihn zwinge, bei jeder Gelegenheit die neuesten Kurse zu kontrollieren. Ist die "Anonymisierung der Gesellschaft" schuld? "Das ist ähnlich, wie wenn jemand eine ganze Nacht lang am Spielautomaten steht, und immer wieder Geld nachwirft und nicht mehr aufhören kann", erläuterte der Ärztekammerpräsident. "In welchem Bereich eine Sucht beginnt, ist eher zufällig." Die Ursachen für die Zunahme gerade der immateriellen Abhängigkeiten etwa von Spielautomaten, Handy und Internet sieht der Mediziner in der zunehmenden Anonymisierung der Gesellschaft. Auch Joggen macht süchtig Neue Formen der Sucht bildeten sich mittlerweile auch bei bestimmten Sportarten heraus, bei denen stark Endorphine ausgeschüttet werden, wie etwa Joggen oder Mountainbike-Fahren - wenn auch dieses Phänomen dem passionierten Computerfan wohl nicht ganz einleuchten wird. "Das ist zwar meist nicht gesundheitsschädlich, ist aber auch zwanghaft und birgt zudem die Gefahr der sozialen Isolation." Gerade hier werde die Gefahr von den Betroffenen selbst meist nicht bemerkt. Demgegenüber sei gerade bei den stofflichen Drogen keine Zunahme festzustellen, sagte der Mediziner. (APA/dpa)