Irlands Politiker und Geistliche entfachten am Sonntag eine grundsätzliche Debatte über den Umgang Irlands und Europas mit Flüchtlingen und Asylsuchenden. Dies als Folge der grässlichen Entdeckung, die ein irischer Fernfahrer am Samstagmorgen in einem mit Büromöbeln aus Italien beladenen Frachtcontainer machte: Vier Männer, eine Frau und drei kleine Kinder konnten nur noch tot geborgen werden, vier weitere Männer und eine Frau liegen durch Sauerstoffmangel und Unterkühlung lebensgefährlich geschwächt im Krankenhaus von Wexford. Einer der Flüchtlinge konnte mit einem türkischen Dolmetscher sprechen, bei anderen wird Albanien als Herkunftsland vermutet. Der Container verließ Mailand am 30. November auf dem Schienenweg. In Köln wurde er auf Lkw umgeladen und erreichte am 4. Dezember den belgischen Fährhafen Zeebrügge. Dort hatten vergangenes Jahr auch jene 58 Chinesen, die in Dover tot in einem Container gefunden worden waren, ihre letzte Reise begonnen. "Festung" Europa Es steht aber keineswegs fest, wo die 13 Flüchtlinge in den Möbelcontainer eindrangen. Irische Zeitungen spekulierten gestern darüber, dass ihre kriminellen Helfer, eine vermutlich osteuropäische oder russische Schlepperbande, annahmen, der Container sei auf dem (kürzeren) Weg nach Großbritannien. Der örtliche katholische Bischof, Brendan Comiskey, gedachte der Opfer gestern in seiner Sonntagspredigt und forderte die Gläubigen auf, die Asylanten und Flüchtlinge in ihren eigenen Gemeinden neu zu betrachten. "Gesetze werden Menschen nicht fern halten", sagte er, wenn diese verzweifelt genug seien. Und er mahnte, Europa werde immer mehr zur "Festung anstatt zur Familie von Nationen". Das neuerdings wohlhabende Irland erwartet in diesem Jahr rund 10.000 Asylgesuche, die Mehrzahl davon aus Nigeria und Rumänien. Doch die Regierung hat dieses Jahr versucht, Irland weniger anziehend zu machen: Gutscheine statt Bargeld sollen Missbrauch verhindern und die Abgewiesenen müssen mit rascher Deportation rechnen. Doch das Hauptaugenmerk der irischen Regierung richtet sich auf die Schlepper. Sowohl der Justizminister wie auch der Premierminister versprachen gestern enge Zusam-menarbeit mit europäischen Partnerstaaten, um der Drahtzieher habhaft zu werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 12. 2001)