Wer den großen, schlanken Mann mit zurückgegeltem Haar im schwarzen Yuppie-Anzug mit weißem Hemd und Krawatte an der Theke lehnen sieht, könnte ihn leicht für einen Mailänder Jungmanager in einer jener italienischen Espressobars halten, die zumindest der Firmenlegende nach Howard Schultz zur Gründung seines Kaffeeimperiums inspiriert haben sollen. Diese Geschichte geht so: Im Frühjahr 1983 sandte ein kleiner regionaler Kaffeeimporteur namens Starbucks, der in Seattle vier Kaffeehäuser betrieb, Schultz zu einer Handelsmesse nach Mailand. Erst im September 1982 hatte Schultz bei Starbucks angeheuert, nachdem er 1981 das erste Starbucks-Café in Seattle kennen lernte und verzaubert war. Damals war Schultz Manager der US-Filiale von Hammarplast, einem schwedischen Hersteller gestylter Küchengeräte, dem auffiel, dass der kleine Kaffeehändler in der Provinz mehr Kaffeemaschinen als das berühmte Macy's in New York bestellte. In Mailand also soll Schultz seine Liebe zu italienischen Kaffeebars entdeckt haben, die er in die USA zurückbrachte. Die Eigentümer von Starbucks konnte er jedoch von seinem Konzept einer landesweiten Kette nicht überzeugen, also gründete er sein eigenes Unternehmen, "Il Giornale", um seine Vorstellungen umzusetzen. 1987 gab sich schließlich die Gelegenheit, Starbucks aufzukaufen - und Schultz konnte loslegen. Heute hat das Unternehmen mit seinen unverwechselbar gestylten Lokalen weltweit 4800 Standorte. Für den 47-jährigen Sohn einer einfachen New Yorker Arbeiterfamilie, der in Brooklyn aufgewachsen ist, ist das jedoch bestenfalls der halbe Weg: Bis 2005 will er der Welt seine "Liebesaffäre mit der Kaffeekultur" in 10.000 Lokalen servieren. Wenn Schultz diese Liebe erklärt, zeigt sich der Missionar und geniale Verkäufer, der auch schon Xerox-Kopierer und Haushaltsgeräte vermarktete: Das Thema bleibt jeweils das gleiche, während er im Gespräch die nötige lokale Anpassung vornimmt. Wien umwirbt er als die Geburtsstadt des Kaffeehauses, und wenn er in nicht allzu ferner Zukunft nach Italien zurückkehren wird, können wir sicher sein, dass das Kaffeehaus mindestens zwei Geburtsstätten haben wird. Zum Erfolg des rasch expandierenden Unternehmens trägt auch seine Personalpolitik bei, die aus Mitarbeitern "Partner" macht. Selbst Teilzeitkräfte erhalten eine volle Sozialversicherung (in den USA keine Selbsverständlichkeit) und Aktienoptionen. Offensichtlich hat sich Schultz die Erinnerung an Kindertage in Armut erhalten, als der Vater nach einem Unfall die fünfköpfige Familie mit Hilfsjobs erhalten musste. "Ich wollte immer die Art von Unternehmen aufbauen, für das mein Vater nie die Chance hatte zu arbeiten." (Helmut Spudich, Der Standard, Printausgabe, 10.11.2001)