Die Nachricht wurde mit seltsamer Ruhe aufgenommen: Ein hundertprozentiger BSE-Verdachtsfall in Österreich - worunter man sich vorzustellen hat, dass das Auftreten der Krankheit für die Behörden als erwiesen gilt - überraschte offenbar nicht mehr wirklich. Freilich, überwunden geglaubte Ängste werden wach, der erste Verdachtsfall in Westösterreich von vor fast einem Jahr wird präsent. Damals war es ein Fehlalarm. An der letztlich konstatierten Gesundheit der Kuh "Moidl" konnten wir uns aufrichten. Die "Moidl" hinterließ jedoch Spuren: Einmal ist es ja noch gut gegangen, konnte sich der Fleischkonsument damals denken - und in diesem Gedanken steckt schon die Erkenntnis verborgen, dass es ein nächstes Mal geben muss, in dem die Welt nicht mehr so freundlich aussieht. Es ist so weit. Und in den Ministerien wird zugegeben, dass damit eigentlich gerechnet wurde. "Nach der statistischen Wahrscheinlichkeit", heißt es. Damit ist gemeint: Wir tun ohnehin, was möglich ist, ganz verhindern werden wir das Auftreten der Krankheit in unserem Land jedoch nicht können. Das gelingt auch anderen nicht: Im November meldete Slowenien seinen ersten BSE-Fall, jüngst auch Finnland. An diesem Punkt der Entwicklung beginnt die Logik der offiziellen Darstellung jedoch etwas zu leiden. Schon im nächsten Jahr, also in recht kurzer Zeit, hätte Österreich die flächendeckenden Kontrollen streichen können - und wollen. Stichproben reichten der EU-Kommission als sicher genug für unser Land, und diese Botschaft wurde offenbar willig aufgenommen. Die Kosten für die BSE-Prüfungen sollten - auf Drängen der Bundesländer - reduziert werden, berichten die Grünen aus dem Parlament. Weniger Geld und weniger Personal: Auch ohne große mathematische Künste lässt sich erkennen, dass sich damit nicht die gleiche (flächendeckende) Leistung wie bisher ausgehen kann. Das als höchst verdächtig geltende Fleckvieh aus dem niederösterreichischen Waldviertel zeigt, dass nicht daran zu denken ist, die Zügel in Sachen Fleischkontrolle lockerer zu lassen. Wer dies wollte, konnte es nur wider besseres Wissen tun - was sonst wäre aus besagter "statistischer Wahrscheinlichkeit" herauszulesen? Es wird nun zu keinen Erleichterungen kommen, das Geld für die notwendigen Untersuchungen wird auch in der Zukunft bereitstehen, versichert die Regierung. Ein zynischer Gedanke keimt auf: Sollen wir für diese neue BSE-Warnung noch dankbar sein? Eine solche Überlegung trägt in sich, dass, wer sie anstellt, nicht unbegrenzt Vertrauen in die Kontrollmechanismen hat. Das jedoch ist die entscheidende Größe in der Krisenbetrachtung: Vertrauen, so genannte Produktsicherheit, muss gegeben sein - die Verwechslung von Proben und Bauernhöfen trägt dazu nicht bei. Es ist kein verseuchtes Fleisch im Handel, versichert der Gesundheitsminister. Darauf vertraut gerne, wer auf die Sicherheit der Kontrollen bauen kann. Schlampereien, Nachlässigkeiten, Pannen und falsche Spargedanken führen fleischverarbeitende Industrie, Gastronomen und Bauern aber in die Krise. Im "Feinkostladen Österreich" wird in vergleichsweise kleinen Wirtschaftseinheiten gearbeitet. Das stützt im Fall der Landwirtschaft zwar das Bild vom idyllischen Bauernleben, das viele Konsumenten im Kopf haben, das macht den Betrieb aber auch leicht verletzlich. Wo an den Grenzen des ökonomisch Möglichen gearbeitet wird, setzt sich kein Speck an, von dem in Krisenzeiten gezehrt werden kann. Hart arbeitende Bauern, scharf kalkulierende Wirte und Industriebetriebe haben ein Recht darauf, vor falschen Verdächtigungen der Konsumenten geschützt zu werden. Zu erreichen ist dies nur durch gesicherte Prüfqualität. Ein BSE-Fall musste einmal kommen, die österreichische Welt bricht damit noch nicht zusammen, wird zu verstehen gegeben. Was durch konsequente Kontrollen in der Zukunft zu beweisen ist. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 12. 2001)