EU
Italien lenkt im Streit um europäischen Haftbefehl ein
Berlusconi macht Gesetzesänderung zur Bedingung - Vermittlungen Verhofstadts in Rom erfolgreich
Rom - Der Weg für die Einführung eines
europäischen Haftbefehls im Kampf gegen den Terror ist frei: Die
italienische Regierung lenkte am Dienstag im Streit mit den übrigen
14 EU-Staaten ein und stimmte zu, dass mit dem Haftbefehl 32
Straftaten geahndet werden können. Voraussetzung für die Zustimmung
sei, dass das italienischen Parlament die entsprechenden Gesetze
ändere, sagte Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi nach den
Verhandlungen in Rom. Das Einlenken Italiens war nach Vermittlungen
des belgischen Ministerpräsidenten und amtierenden EU-Ratspräsidenten
Guy Verhofstadt zu Stande gekommen. Der italienische Ministerpräsident wollte den europäischen
Haftbefehl ursprünglich nur für sechs der insgesamt 32 auf der
EU-Liste stehenden Straftatbestände gelten lassen. Von der Liste
streichen wollte die Regierung in Rom unter anderem Straftaten wie
Geldwäsche, Betrug, Korruption, Erpressung und Geldfälschung.
Verhofstadt hatte angekündigt, die 14 anderen EU-Mitglieder könnten
mit ihren Plänen notfalls auch ohne Italien fortfahren. Der
europäische Haftbefehl ist Kern eines EU-Aktionsprogramms, das die
Union als Antwort auf die Terroranschläge vom 11. September in die
Wege geleitet hat.
Missverständnisse
Berlusconi sagte, Italien werde unverzüglich seine Gesetze an die
Bestimmungen des Haftbefehls anpassen. Die Unstimmigkeiten zwischen
der Regierung in Rom und den EU-Partnern sei wegen Missverständnissen
aufgekommen. Bis zuletzt hatte Italien versucht, die von den anderen
14 EU-Staaten angenommene Maßnahme zu verändern. Unter anderem schlug
Rom vor, dass der Haftbefehl insgesamt nicht wie geplant 2004 in
Kraft treten soll, sondern für Straftatbestände wie Betrug oder
Korruption erst 2008.
Verhofstadt äußerte sich "sehr zufrieden, dass Italien den
Haftbefehl so akzeptiert, wie er ursprünglich konzipiert war".
Verhofstadt zufolge stimmte Berlusconi der Liste der Straftaten nun
zu. Demnach legte sich der italienische Regierungschef jedoch nicht
auf einen Zeitrahmen fest. Experten zufolge ist das
Gesetzgebungs-Procedere in Italien jedoch so langwierig, dass es
Jahre dauern könnte, bis die entsprechenden Gesetze geändert sind.
Berlusconi verspricht rasche Entwürfe
Am Dienstag versprach Berlusconi "rasche Entwürfe für die
Gesetzesänderungen". Sollten Probleme im italienischen Parlament
auftauchen, gebe es eben "eine gemeinsame Gesetzeszone für einige und
manche Länder würden nicht dazu gehören. Und weiter: "Es wäre wie bei
der Gemeinschaftwährung, dem Euro." Politische Beobachter halten es
für möglich, dass Italien unter Verweis auf die parlamentarischen
Prozeduren die Umsetzung hinauszögern könnte. Im Extremfall könnte
die Einführung des Halfbefehls sogar noch blockiert werden, sollte
sich etwa bei einer Volksabstimmung die Mehrheit der Wähler gegen die
Verfassungsänderungen aussprechen.
Zunächst sollte das Instrument von den Justizministern bereits am
Donnerstag vergangener Woche beschlossen werden. Diesen Auftrag
hatten die EU-Staats- und Regierungschefs dem Ministerrat erteilt.
Italien weigerte sich allerdings strikt, den vollständigen Katalog
von Straftaten anzuerkennen. Zur Begründung hieß es, es sollten nur
wirklich schwere Straftaten einbezogen werden.
Auslieferung beschleunigt
Mit dem Haftbefehl soll die Auslieferung mutmaßlicher Straftäter,
darunter auch Terroristen, unter den EU-Staaten beschleunigt und
vereinfacht werden. Vorgesehen ist eine Frist von 60 Tagen, die in
Einzelfällen auf 90 Tage verlängert werden kann. Bisher funktioniert
die Auslieferung unter den EU-Staaten auf bilateraler Ebene. Dabei
sind Fristen von über einem Jahr keine Seltenheit.
Offiziell begründete Italien seinen Widerstand damit, dass vor dem
Inkrafttreten des EU-Haftbefehls die Strafgesetze in der EU
harmonisiert werden müssten. Außerdem sei der EU-weite Haftbefehl mit
der italienischen Verfassung nicht vereinbar und schränke die
Bürgerrechte ein. Der europa-weite Haftbefehl soll den Kampf gegen
das organisierte Verbrechen und den Terrorismus erleichtern. Die
lange Ablehnung hatte Berlusconi den Vorwurf eingebracht, er wolle
verhindern, eines Tages ausgeliefert werden zu können, weil es
angeblich Unregelmäßigkeiten in seinem breit gefächerten
Medien-Imperium gab. (APA/AP/Reuters/dpa)