Totalverkauf der Telekom Austria könnte an Sicherheitsinteressen der Republik scheitern
Redaktion
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Wien/Mailand - Unter Ministern wird es "die Krise" genannt, die jede Woche einmal läutet. Gemeint ist der zweite Telefonapparat, der auf jedes Ministers, aber auch auf dem Schreibtisch des Generaldirektors der Telekom Austria (TA) steht: das Krisentelefon der Republik Österreich. Einmal pro Woche wird amtlich überprüft, ob es auch wirklich funktioniert.
Dieses Krisentelefon stürzt die Privatisierer der Telekom nun in eine veritable Krise. Denn dem TA-Hauptaktionär, der Staatsholding ÖIAG, kommen beim Verkauf hochrangige sicherheitspolitische Interessen der Republik Österreich in die Quere. Konkret geht es um das so genannte Staatsgrundnetz, ein Telefon- und Datennetz, das im Notfall die Handlungsfähigkeit von Ministerien, Polizei, Rettung und Katastrophendiensten gewährleistet. Auch die Luftraumüberwachung des Bundesheeres - Stichwort "Goldhaube" - und das Heeresnachrichtenamt greifen auf dieses breitbandige Geheimnetz zu.
Pikanterweise ist dieses Nervenzentrum der Alpenrepublik nicht eigenständig, sondern auf das Engste mit dem öffentlichen Telefonnetz verwoben. Bei einem Totalverkauf der TA würde eben dieses Netz in fremde Hände geraten - eine weltweit einmalige Situation, argwöhnt SP-Sicherheitssprecher Rudolf Parnigoni.
Im Sperrfeuer
Parnigoni verlangt nun, dass der Bund zumindest eine Sperrminorität an der TA behält, denn sonst habe der Bund auf eines der wichtigsten Infrastruktur- und Versorgungsunternehmen keinen Zugriff. Ein ÖIAG-Rückzug
sei nur vorstellbar, "wenn die für Österreichs Sicherheit wichtigen Kommunikationsnetze" aus dem TA-Netz herausgelöst werden. "Mit dem Verkauf an ein US-Unternehmen hätte womöglich die CIA direkten Zugriff auf das Staatsgrundnetz. Das kommt nicht infrage."
Frommer Wunsch
Angesichts solcher Unwägbarkeiten dürfte das Ziel von ÖIAG-Vorstand und TA-Aufsichtsratspräsident Peter Michaelis, bis Weihnachten ein Verkaufsszenario vorzulegen, ein Wunsch ans Christkind bleiben. Der Aufsichtsrat hat den Zeitrahmen bereits bis Ende Jänner verlängert, bis dahin soll mit Merrill Lynch eine Exitstrategie ausgearbeitet werden. Wie verbindlich die von der Investmentbank unter Anwesenheit von Karl- Heinz Grasser am Freitag präsentierte Liste der Kaufinteressenten ist, ist ein Staatsgeheimnis.
Im FP-Klub kursiert bereits ein Alternativszenario: Dieses sieht vor, dem Käufer vorerst nur die 29,8 Prozent der Italiener plus 22,8 Prozent aus dem ÖIAG-Paket zu überlassen. Gemeinsam mit den 22,4 Prozent Streubesitz, dem ohnehin ein Übernahmeangebot gemacht werden müsse, hätte der neue Besitzer die bestimmende Dreiviertelmehrheit, skizziert ein FP-Mandatar. Für die verbleibende Sperrminorität der ÖIAG könnte man dem Käufer ein Vorkaufsrecht einräumen, das dieser nach der Herauslösung des Staatsgrundnetzes ziehen könnte.
"Bitte warten"
Auch bei TA-Miteigentümer Telecom Italia (TI), der die Verkaufsgelüste der ÖIAG überhaupt erst geweckt hat, ist man sich bewusst, dass ein Verkauf so schnell nicht geht. Der für Dezember angekündigte Verkaufsplan mit Details, wann wie welche Beteiligungen abgestoßen werden, kommt erst im Februar.
Außer Spesen bleibt den Italienern, die für ihre 29,8 Prozent an der TA 27,3 Mrd. S (1,98 Mrd. €) bezahlt haben, unterm Strich nicht viel. Dem Vernehmen nach wurde die TA-Beteiligung in der TI-Bilanz heuer von "knapp über 1,7 Mrd. € auf 1,5 Mrd. €" wertberichtigt. Dividenden gab es nur bei A1 Mobilkom, an der TI 25 Prozent hält. (Luise Ungerboeck, Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, Printausgabe 11.12.2001)
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