Groß-Höbarten - "Heute früh hat eine Kuh gekalbt. Ich will mir das Junge gar nicht anschauen, weil die Rinder alle geschlachtet werden müssen" - Maria Katzenschlager, die Altbäuerin am "BSE-Hof" in Groß-Höbarten 11, ist verzweifelt. In wenigen Stunden werden die Ergebnisse aus den Referenzlabors in Großbritannien und der Schweiz da sein. Bis dahin gibt es noch einen Funken Hoffnung. Vielleicht, vielleicht ist das Ergebnis ja doch negativ und die Kuh hatte keinen Rinderwahn."Diese Krankheit kommt so wie bei den Menschen. Man weiß nicht, warum", sagt Frau Katzenschlager. Wird der Verdacht bestätigt, werden alle 60 Tiere ihres Sohnes Johann gekeult. "Warum alle gleich schlachten? Es ist ja nicht ansteckend. Es gibt viel zu wenig Erfahrung mit BSE." Die positiv getestete Kuh war 70 Monate alt und wie alle Fleckviehrinder vom Hof aus eigener Aufzucht. Gefüttert wurde nur mit Eigenbaugersten- und Haferschrot, Kleie und Sillage, sagt die Altbäuerin. Bei den neugeborenen Kälbern wurden Trockenmilchprodukte zugefüttert. Das sei nötig, weil ein Kalb oft die Muttermilch nicht akzeptiere. Tatsächlich wurden vom Amtstierarzt und der BH keine illegalen Futtermittel bei einer ersten Kontrolle im Bauernhof vorgefunden. Ein Prüfergebnis von Futterproben wollte das Landwirtschaftsministerium noch Montagabend öffentlich machen. Die Kuh war mitsamt fünf Stieren vergangene Woche zum Schlachthof ins nahe Martinsberg geführt worden. "Ich habe meinem Sohn vorgeschlagen, dass wir die Kuh mitfaschieren", sagt die Altbäurin. Einmal habe die Kuh schon gekalbt, aber sie habe nicht ausreichend Milch gegeben. Seit Aufkommen des BSE-Verdachts belagern Journalisten die Einfahrt in den frisch renovierten, gelb gestrichenen Bauernhof. Im Hof sind zwei Kürbisse mit geschnitzten Gesichtern zu sehen, ein zugedeckter Kinderpool und eine Schaukel. Es scheint Wohlstand zu herrschen. Aus der Stube hört man das Telefon ohne Unterlass läuten. Die Altbäuerin bringt Tee und Tassen für die Journalisten. Heute Morgen hatte sie einen Weinkrampf, die Jungbäuerin musste mit einem Nervenzusammenbruch zu einem Arzt. Der Enkel wurde in der Schule von seinen Mitschülern bestürmt. Der Bauer selbst ist nicht im Haus, er hat sich über die Felder geschlagen, um in den Ort zu kommen. Vor dem Hof wiesen vorerst kein Schild und keine Absperrung auf den BSE-Verdacht hin. Nur der Rinderstall ist abgeschlossen. Gegen 13 Uhr taucht Amtstierarzt Gerhard Hiess von der BH Gmünd auf: "Der Hof ist gesperrt. Sie dürfen hier nicht hinein", schimpft er. Dann holt er ein Schild mit der Aufschrift "amtlich gesperrt" aus der Tasche, hält es kurz zum Fotografieren hin und steckt es wieder ein. Der niederösterreichische Agrarlandesrat Josef Plank (VP), der unmittelbar darauf vorfährt, klärt auf: Es gebe keine vergleichbar hohe Ansteckungsgefahr wie im Fall von Maul- und Klauenseuche oder Schweinepest. Wenig später - zwei Tage nach dem Aufkommen des Verdachts - wird aber doch abgeriegelt. Plank hat betroffenen Familien finanzielle Unterstützung für den Ankauf neuer Rinder zugesagt, falls die jetzigen, wie zu erwarten ist, geschlachtet werden müssen. Der Landesrat kündigte an, das Ergebnis eines weiteren BSE-DNA-Tests abwarten zu wollen, den der Bauer urgiert hat. So sollten Zweifel, dass auch diesmal eine Verwechslung der BSE-Proben geschehen sei, ausgeräumt werden. Sonntag war ein anderer Bauer in BSE-Verdacht geraten. Alois Strondl, der VP-Bürgermeister der Großgemeinde Waldenstein, spricht von einer Katastrophe für die Region, in der 30 Landwirte von der Rinderwirtschaft leben. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 11.12.2001)