Peking - Chinas Ministerpräsident Zhu Rongji ist besorgt. Ausgerechnet jetzt, wo China schmerzliche Reformen durch die Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO) verkraften muss, geht es mit der Weltwirtschaft bergab. Doch nichts fürchten Chinas Führer mehr als Instabilität. So beschlossen sie, ihre schon seit 1998 verfolgte "aktive Finanzpolitik" fortzusetzen. Gemeint sind die massiven Staatsausgaben: Mit Investitionen in Infrastrukturprojekte werden Jobs geschaffen, Geld in Umlauf gebracht, die Nachfrage angekurbelt und so das Wirtschaftswachstum angehoben. 7,4 Prozent Wirtschaftswachstum verzeichnet China in diesem Jahr, sieben Prozent sollen es 2002 sein. Das sind Zahlen, bei denen EU-Handelskommissar Pascal Lamy ins Schwärmen kommt: "Mitten in der weltweiten Untergangsstimmung tut es gut zu sehen, dass China in guter Form ist", sagte Lamy in Peking. Doch schien Lamy den Chinesen mit seinen positiven Tönen vor allem Mut machen zu wollen, denn solche Vergleiche führen leicht in die Irre. Chinas Wachstumsrate wirkt mit sieben Prozent hoch, ist aber das absolute Minimum, um die Umwälzungen verkraften. Millionen werden durch die Reform der Staatsbetriebe und den stärkeren internationalen Wettbewerb durch die WTO-Öffnung entlassen. Zusätzlich strömen zig Millionen überschüssige Arbeitskräfte vom Land in die Städte. Ernstes Umfeld Zhu Rongji fürchtet wegen des "äußerst ernsten internationalen Wirtschaftsumfelds" vor allem einen Rückgang der Exporte, der Chinas Wachstum durchaus unter sieben Prozent sacken lassen könnte. Die momentanen Aussichten seien schlimmer als in der Asienkrise 1997/ 98. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres stiegen Chinas Exporte nur noch um 6,1 Prozent - im Gegensatz zu 27,8 Prozent im ganzen Vorjahr. So hofft China vor allem auf ausländische Direktinvestitionen. Bis Oktober dieses Jahres konnte ein Zuwachs um 18 Prozent auf 37 Mrd. US-Dollar (41,5 Mrd. EURO/571 Mrd. S) verzeichnet werden. Im ganzen nächsten Jahr sollen es 47 Mrd. Dollar werden. Doch Zhu Rongji bereitet sein Land vorsichtshalber auf schmerzliche Einschnitte durch die WTO-Aufnahme vor. "Wir müssen uns bewusst sein, dass einige Industrien, Unternehmen und Produkte kurzfristig unausweichlich leiden werden", so der Premier. "Ob die Vorteile die Nachteile aufwiegen, hängt von unserer Arbeit ab." (dpa, DER STANDARD, Printausgabe 13.12.2001)