Hamburg/Berlin - Der deutsche Bundesbankpräsident Ernst Welteke hat erneut davor gewarnt, die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Konjunktursteuerung zu vereinnahmen. "Mit dem im Maastricht-Vertrag niedergelegten Konzept einer unabhängigen und primär am Ziel der Preisstabilität ausgerichteten Geldpolitik wäre das nicht vereinbar. Darüber hinaus wäre die Geldpolitik damit auch letztlich überfordert", schreibt Welteke in einem Gastbeitrag für die "Financial Times Deutschland" (Mittwochausgabe) nach einem am Dienstag veröffentlichten Vorabbericht. Daher habe sich die EZB ähnlich wie früher die Bundesbank immer wieder strikt gegen derartige politische Forderungen gewandt. Angesichts des deutlichen Wirtschaftsabschwungs auch in der Euro-Zone hatten in den vergangenen Monaten wiederholt führende europäische Politiker die EZB aufgefordert, mit kräftigen Zinssenkungen der Konjunktur wieder Impulse zu geben. Die Notenbank nahm den Schlüsselzins in diesem Jahr bereits vier Mal um insgesamt 150 Basispunkte auf 3,25 Prozent zurück. Für die Koordination der europäischen Finanz- und Geldpolitik liefere der Stabilitäts- und Wachstumspakt einen eindeutigen rechtlichen Rahmen, schrieb Welteke dem Vorabbericht zufolge. Er warnte jedoch auch bei der Wirtschaftspolitik vor einer zu starken Abstimmung zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Es sei an der Zeit, "den Wildwuchs in der Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik zurückzuschneiden". Prominente Euro-Kritiker hatten individuelle Lockerung der Maastricht-Kriterien gefordert Für jedes Land solle im Rahmen einer gesamteuropäischen Konjunkturpolitik ein eigener, flexiblerer Schuldenspielraum vereinbart werden, schlugen die Ökonomen Wilhelm Nölling, Wilhelm Hankel und Joachim Starbatty sowie der Rechtswissenschaftler Karl Albrecht Schachtschneider vor. Wegen der Maastricht-Vereinbarungen seien den Regierungen derzeit die Hände gebunden, dem Wirtschaftsabschwung entgegenzuwirken, sagte Nölling. Es sei nicht zu erkennen, wie sich Europa auf eine gemeinsame konjunkturbelebende Politik einigen könne. Die Ökonomen warfen zugleich der Europäischen Zentralbank (EZB) vor, über ihre Geldpolitik nicht wirksam genug zur Belebung der Konjunktur beizutragen. Ihrer Meinung nach sollte sie angesichts der Konjunkturschwäche "kräftig mit Zinssenkungen helfen und damit dem US-Beispiel folgen".(APA/Reuters)